Prof. Dr. Glaser
Prof. Dr. Glaser (Bildmitte) im Gelände bei Manaus, der Hauptstadt des brasilianischen Bundesstaates Amazonas. ©Privat

Anthrosole, vom Menschen geschaffene Böden, und Pflanzenkohlen stehen zunehmend im Focus von Wissenschaft und Wirtschaft. Insbesondere die Terra Preta (portugiesisch „Schwarze Erde“), ein Jahrtausende alter anthropogener Boden in den feuchten Tropen Südamerikas. Zu diesem Themenkreis befragte ahabc.de Prof. Dr. Bruno Glaser. Er ist Professor für Bodenbiogeochemie an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Schwerpunkte seiner Forschung sind u. a. Pflanzenkohle und ihre Umweltaspekte, Identifizierung und Quantifizierung von Bodenprozessen sowie Besiedelungsgeschichte (Terra Preta, Raised Fields) und Paläoökologie. Prof. Dr. Glaser promovierte über „Eigenschaften und Stabilität des Humuskörpers der Indianerschwarzerden Amazoniens (Terra Preta)“ und gilt als Pionier der Erforschung von Terra Preta und Pflanzenkohle.

Wie kann man sich die Entstehung der Terra Preta im Amazonasgebiet vorstellen?

Prof. Dr. Glaser: Terra Preta entstand durch die naturnahe Lebensweise präkolumbischer Amazonas-Indianer. Aber auch in Europa entstanden anthropogene Böden mit ähnlichen Eigenschaften auf vergleichbare Weise. Zu dieser Zeit hatten die Menschen keine Maschinen, keinen Mineraldünger und keine Streichhölzer. Daher waren sie auf die natürlichen Ressourcen der Umgebung angewiesen. Küchenabfälle, Fäkalien und sonstige Biomassereste wurden nahe der menschlichen Siedlungen deponiert, kompostiert oder oberflächlich in den Boden eingearbeitet. Zusammen mit Verkohlungsrückständen durch Schwelbrände und Küchenfeuer wurden diese Rückstände durch Bodenorganismen zu stabilem nährstoffreichem Humus umgebaut und führten so nach Jahrhunderte langer Besiedlung zu den uns heute bekannten humusreichen und nachhaltig fruchtbaren anthropogenen Schwarzerden. Eine besondere Rolle spielen dabei die Verkohlungsrückstände, die heute durch Pflanzenkohle ersetzt werden. Diese ermöglicht den Aufbau von stabilem Humus auch in den feuchten Tropen, wo unter natürlichen Bedingungen nur wenig Humus aufgebaut wird.

Dreharbeiten in Brasilien
Dreharbeiten bei Manaus. ©Privat

Zu den Anthrosolen zählen neben der „Terra preta do indio“ im Amazonasgebiet zum Beispiel auch die Plaggenböden in Norddeutschland oder Schottland, die Böden in den Weinanbaugebieten (Rigosole) wie auch der Gartenboden (Hortisol) hinterm Haus. Gibt es da wesentliche Unterschiede?

Prof. Dr. Glaser: Natürlich gibt es da aus bodenkundlicher Sicht erhebliche Unterschiede und zwar sowohl in der Entstehung (Genese) als auch bei den Eigenschaften der von Ihnen erwähnten Böden. Ein entscheidendes Merkmal der anthropogenen Schwarzerden ist neben dem Eintrag von großen Nährstoffmengen das Einarbeiten von Pflanzenkohle, was einen Schlüssel zur Entstehung der Terra Preta beiträgt.

Welche Bedeutung haben Anthrosole im Zusammenhang mit der Erforschung der Umwelt- und Besiedelungsgeschichte?

Prof. Dr. Glaser: Generell dienen Böden als Archive für Landnutzung und Klima. Insbesondere in den humiden Tropen stellen Böden das einzige Archiv vergangener Landnutzung dar, da Holz bereits komplett abgebaut wurde und Steine nicht zur Verfügung standen.

Ferralsol
Ferralsol (nach WRB), ein typischer, nährstoffarmer Boden des Amazonasgebietes. Er ist durch das Vorherrschen von Kaolinit und Sesquioxiden [= Sammelbezeichnung für Oxide und Hydroxide des Aluminiums (Al), Eisens (Fe) und Mangans (Mn)] charakterisiert. ©Bruno Glaser
Gibt es einen Zusammenhang zwischen der Art und Weise der historischen Bodenbewirtschaftung und der Klimageschichte?

Prof. Dr. Glaser: Natürlich kann das Klima auch die Bodenbearbeitung beeinflussen. Das Vorkommen von Terra Preta-ähnlichen Böden in Mitteleuropa weist aber auf einen geringen Einfluss des Klimas zu einer gegebenen Zeit hin.

Können die Wissenschaft und die moderne Landbewirtschaftung etwas aus den alten Vorgehensweisen bei der Bodenbearbeitung lernen?

Prof. Dr. Glaser: Terra Preta dient als Modell für moderne nachhaltige Nutzung natürlicher Ressourcen bzw. für ein Revival von Kreislaufwirtschaft.

Terra Preta
Im Gegensatz zum Ferralsol weist die nährstoffreiche Terra Preta einen mächtigen humosen Oberboden auf. ©Bruno Glaser

Was sind die interessantesten Aspekte bei der Erforschung von Anthrosolen und Biokohlesubstraten?

Prof. Dr. Glaser: Erstens fasziniert die Tatsache, dass präkolumbische Amazonas-Indianer unfruchtbare Böden (v. a. sogenannte Ferralsole) zu humusreichen nachhaltig fruchtbaren Böden umgewandelt haben, die auch tausend Jahre nach ihrer Entstehung noch nachhaltig fruchtbar sind. Zweitens ist für Wissenschaftler natürlich interessant, wie das gemacht wurde. Drittens fasziniert die Tatsache, das Pflanzenkohle nicht nur ein Schlüssel für die Terra Preta-Genese ist, sondern auch in der modernen Gesellschaft eine Rolle spielen kann z. B. zur Bekämpfung der steigenden atmosphärischen Kohlendioxid-Konzentrationen. Und last but not least gibt es immer neue Ideen, wofür man Pflanzenkohle sinnvoll einsetzen kann.

Der Begriff Terra Preta lässt manch ein Gärtnerherz höher schlagen und geistert unaufhaltsam durch die Medienlandschaft. Einige Firmen „bauen“ diesen Boden bereits gewinnbringend nach. Auch im Internet gibt es allerlei „Rezepte“ für diesen Boden. Mitunter trägt der „Hype“ um Terra Preta schon esoterische Züge. Was halten Sie von diesem Phänomen?

Prof. Dr. Glaser: Generell ist die Thematik natürlich aus verschiedenen Gesichtspunkten lohnend, insbesondere das Konzept der nachhaltigen Nutzung regionaler Ressourcen. Ob die angebotenen Produkte natürlich den Erwartungen entsprechen, kann man nicht pauschal beurteilen.

Ahabc.de dankt Herrn Prof. Dr. Glaser für die informativen Antworten und wünscht ihm auch weiterhin viel Erfolg bei seiner Arbeit.

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