Winter
Bei Minusgraden kommen die Prozesse im Boden zum Erliegen. ©Alexander Stahr

Die Bodentemperatur hat entscheidenden Einfluss auf alle chemischen und biochemischen Prozesse im Boden. So z. B. auf die Mineralisierung der postmortalen organischen Bodensubstanz durch Bodenorganismen und die Humifizierung, auf das Pflanzenwachstum und die Verwitterung. Je höher die Bodentemperatur, desto rascher und intensiver laufen viele Prozesse im Boden ab. Dieser Umstand zeigt sich insbesondere im Vergleich zwischen Hochgebirgsböden (klimabedingte langsame Mineralisierung, Anreicherung von organischer Substanz) und Böden der Tropen (klimabedingte rasche Mineralisierung und schneller Abbau organischer Substanzen). Die Temperatur des Bodens ist das Ergebnis aus Wärmezufuhr und Wärmeverlust in Abhängigkeit von seiner Wärmekapazität und seiner Wärmeleitfähigkeit.

Gemäß der van’t-Hoff’schen Gleichung oder Reaktionsgeschwindigkeits-Temperatur-Regel [RGT-Regel oder van’t-Hoff’sche Regel (nach Jacobus Henricus van’t Hoff (1852-1911), dem niederländischen Physikochemiker und Chemieprofessor, der 1901 den ersten Nobelpreis für Chemie erhielt] wird die Geschwindigkeit biochemischer Prozesse bei einer Temperaturerhöhung von 10° Celsius um das Zwei- bis Dreifache gesteigert, was hinsichtlich des Bodens jedoch nur für den Temperaturbereich zwischen ungefähr 0° und 50° Celsius gilt. Das heißt, für Bodenorganismen muss die Temperaturerhöhung natürlich im Toleranzbereich des jeweiligen Organismus erfolgen.

Wärmezufuhr

Sonne
Die Wärmezufuhr erfolgt bei den meisten terrestrischen Böden (Böden außerhalb des Grundwassereinflusses), semiterrestrischen Böden (Böden, die vom Grundwasser beeinflusst sind), semisubhydrischen Böden (Böden im Einfluss der Gezeiten) und Mooren nahezu ausschließlich über die Sonneneinstrahlung. NASA, gemeinfrei

Die Wärmezufuhr erfolgt bei den meisten terrestrischen Böden (Böden außerhalb des Grundwassereinflusses), semiterrestrischen Böden (Böden, die vom Grundwasser beeinflusst sind), semisubhydrischen Böden (Böden im Einfluss der Gezeiten) und Mooren nahezu ausschließlich über die Sonneneinstrahlung. Die Maxima der Zufuhr liegen dabei in den Mittagsstunden und in den Sommermonaten. Temperaturschwankungen sind im Oberboden deutlich stärker ausgeprägt als im Unterboden. Dort treten Temperaturschwankungen ebenfalls auf, doch mit zeitlicher Verzögerung. Die Intensität der Wärmezufuhr ist abhängig von der geographischen Breite (Klima), von der Jahres- und Tageszeit, von der aktuell vorherrschenden Witterung, von der Lage des Bodens im Gelände [Himmelsrichtung (= Exposition), Ebene, Hangneigung], von der Art der Bodenbedeckung (Vegetation, Streu, Humuslagen), von der Bodenfarbe [sehr dunkel gefärbte, huminstoffreiche Böden haben eine geringe Albedo, ein geringes Rückstrahlvermögen (von lateinisch albus = weiß)] und bei semisubhydrischen oder subhydrischen Böden auch von der strahlungsabhängigen Wassertemperatur. Eine lokal begrenzte Wärmezufuhr beispielsweise in terrestrische oder semiterrestrische Böden erfolgt in Gebieten mit erhöhter vulkanischer Aktivität (z. B. Island) aus dem Erdinneren und allgemein in sehr geringem Umfang durch Oxidationsprozesse im Zuge der Verwitterung sowie durch die Atmung von Mikroorganismen.

Die Wärmekapazität bestimmt, welche Gesamtenergie ein Boden aufnimmt. Sie ist über die Wärmemenge in Joule definiert, die je Volumeneinheit Boden (oder Raumgewicht) bei konstantem Druck zur Temperaturerhöhung um 1° Celsius führt. Die Wärmekapazität eines Bodens addiert sich aus den Wärmekapazitäten seiner Bestandteile (mineralische, organische Substanz, Wasser, Luft, Eis). Wasser im Boden besitzt die größte Wärmekapazität. Feste Bodenbestandteile wie etwa Tonminerale werden durch die halbe Wärmemenge um den gleichen Betrag erwärmt. Daher erwärmen sich feuchte oder nasse Böden nur langsam, porenreiche, trockene Böden recht schnell. Die Wärmekapazität eines Bodens ist deshalb von seinem Wassergehalt abhängig.

Die Wärmeleitfähigkeit (= Wärmefluss, der bei einem Temperaturgefälle von 1° Celsius/cm in einer Sekunde durch einen Querschnitt von 1 cm² fließt) und die Wärmediffusivität oder Temperaturleitfähigkeit (Geschwindigkeit, mit der sich Temperatur durch Wärmeleitung im Boden ausbreitet) sind von der Art der Zusammensetzung der festen Bodenbestandteile (Textur, Struktur) und ebenfalls vom Wassergehalt abhängig. Diese Abhängigkeit ist am stärksten bei geringem Wassergehalt. Da Luft ein ausgesprochen guter Wärmeisolator ist (Doppelfenster, Daunenjacke), wird die Wärme in diesem Fall fast ausschließlich über die Bodenmatrix (feste Bestandteile) und das mit dieser in Kontakt stehende Bodenwasser (als dünner Film auf den Oberflächen der Bodenmatrix und als kleine Menisken um Berührungspunkte von Körnern) geleitet. Ist ein Boden völlig ausgetrocknet, so stellen die Kontaktstellen zwischen den Bestandteilen der Bodenmatrix die einen Wärmefluss einschränkenden Engpässe. Eine nach Austrocknung zunehmende Benetzung des Bodens führt wieder zur Verbreiterung des Wärmeflussquerschnitts. Die Wärmeleitfähigkeit ist weniger vom Wassergehalt abhängig als die Wärmekapazität. Deshalb ergibt sich für die Wärmediffusivität ein maximaler Wert bei einer mittleren Wassersättigung.

Wärmeverluste

Sie resultieren aus der Wärmeabstrahlung des Bodens sowie aus der entstehenden Verdunstungskälte bei der Evaporation (Verdunstung) des im Boden enthaltenden Wassers. Die Wärmeverluste sind abhängig vom Jahresverlauf im Bereich eines bestimmten Klimas, von der vorherrschenden Witterung, vom Wasserregime, von der Bodenfarbe (Albedo) und von der Art der Bodenbedeckung.

Frost im Boden

Gefügefragmente
Größere Gefügefragmente bei Acker- und Gartenböden (Erdklumpen) werden vom Bodeneis „gesprengt“. Man spricht dabei von der so genannten Frostgare. ©Alexander Stahr

Wenn der Frost in den Boden eindringt, gefriert alle Feuchtigkeit. Da das Eis ein größeres Volumen als Wasser hat (es dehnt sich um neun Prozent seines Volumens aus), kommt es zu Hebungen des Bodens. Gut zu beobachten ist dies, wenn nach einer Feuchtphase strenger Frost einsetzt. Dann kann man mitunter Erdkrümel oder Laubstreu auf der Spitze eines kleinen Eiszapfens hochgehoben beobachten. Man bezeichnet dies als Kammeisbildung. Größere Gefügefragmente bei Acker- und Gartenböden (Erdklumpen) werden vom Bodeneis „gesprengt“. Man spricht dabei von der so genannten Frostgare. Vor allem wenn tonreiche und daher oft sehr fest zusammenhaltende Erdklumpen (hohe Kohäsion) zersprengt und in feine Krümel zerlegt werden, sehen Landwirte und Gartenbesitzer darin viele Vorteile. Der Boden lässt sich beim Pflügen oder Umgraben wesentlich leichter bearbeiten, wenn er krümelig und nicht grobblockig und verdichtet ist. Auch die Düngemittel und das Saatgut verteilen sich in dem zerkleinerten Bodenmaterial wesentlich gleichmäßiger. Die Pflanzen bevorzugen die Frostgare ebenfalls, können sie doch im Frühjahr ihre Wurzeln wesentlich leichter ausdehnen und die Keimlinge können gefahrlos sprießen.

Ist das Bodenwasser gefroren, haben manche Pflanzen erhebliche Probleme an Wasser zu kommen, da sie es nur in flüssiger Form aufnehmen können. Das betrifft vor allem einige bestimmte im Herbst oder im Jahr zuvor neu gepflanzte immergrüne Bäume und Sträucher im Garten, die noch nicht tief genug wurzeln, um dem Frost ausweichen zu können. In aller Regel reduzieren die Pflanzen in der Natur aber im Winter wie die Bodenorganismen ihre Lebensaktivitäten auf ein Minimum und benötigen kein Wasser. Das Wasser in den Wasserleitbahnen der Pflanzen könnte bei strengem Frost zu Eis gefrieren, das dann die Pflanze verletzen und erheblich gefährden kann. Im Herbst wird daher die winterliche Inaktivität z. B. durch den Laubabwurf oder das Absterben von Pflanzenteilen vorbereitet.

Insbesondere in arktischen Regionen führt Frost im Boden zu Oberflächenformen mit regelmäßigen Strukturen, die als Frostmusterböden oder Strukturböden bezeichnet werden (Steinringe, Steinpolygone, Steinnetze, Steinstreifen, Steingirlanden) sowie zu so genannten Eiskeilen. Ebenfalls in arktischen Regionen sowie in den Periglazialgebieten der Hochgebirge bewirkt Dauerfrost im Boden (Permafrostböden) durch phasenweises Auftauen der obersten Bodenbereiche in den Sommermonaten (Tag-Nacht-Frostwechsel) zum Prozess der Solifluktion. Dieser Begriff bedeutet übersetzt Bodenfließen. Wörtlich genommen, setzt dies tatsächliche, mehr oder weniger plastische „Fließbewegungen“ voraus. Bei ausreichendem Wasserangebot und Feinmaterialanteil kann sich das Lockermaterial eines Hanges unter Herabsetzung der Scherfestigkeit (aus innerer Reibung und Kohäsion) in Fließloben als witterungs- und temperaturabhängiges Durchtränkungs- oder Sättigungsfließen sehr langsam den Hang hinabbewegen. Dies kann man z. B. vielerorts in den Zentralalpen in Höhenlagen von über 2.000 Metern oder etwa in subarktischen Regionen über Dauerfrost beobachten. Und zwar meist unter einer mehr oder weniger ausgebildeten Vegetationsdecke, etwa aus Polsterpflanzen oder alpinen Krummseggen-Rasen. Im Bereich des Permafrostes ist auch eine andere Art der Materialverlagerung an Hängen wirksam. Wasser dehnt sich beim Gefrieren aus. Dadurch wird am Hang Gesteinsmaterial unterschiedlichster Größe senkrecht zur Hangoberfläche angehoben. Taut das Bodeneis, bewegen sich die Gesteinsfraktionen lotrecht nach unten. Auf diese Weise „wandert“ das Lockermaterial eines Hanges allmählich talwärts, was Regelationsfließen genannt wird. In der Literatur wird diese Bewegungsform auch als Bodenkriechen oder Frostkriechen bezeichnet. Diese Form der Materialverlagerung ist vergleichsweise unabhängig von der Menge an Feinmaterial. Auch feinmaterialarme Verwitterungsprodukte mit hoher innerer Reibung können auf diese Art hangabwärts verlagert werden.