Organische Substanz
Zu den Bodeneigenschaften zählen auch der Anteil, die Verteilung und die Beschaffenheit der organischen Substanz des Bodens. Wenn von der organischen Substanz des Bodens die Rede ist, so ist damit per Definition die Gesamtheit aller lebenden und nicht lebenden organischen Verbindungen im Boden gemeint. Größere Pflanzenwurzeln und im Boden lebende Wirbeltiere werden nicht zur organischen Bodensubstanz gerechnet. Die Gesamtheit der nicht lebenden organischen Substanz wird als Humus bezeichnet. Der Humus des Bodens setzt sich folgendermaßen zusammen:
Aus der Streu
Hierzu zählen Bestandesabfälle wie Blätter, Nadeln, Totholz (Bäume, Sträucher, Äste, Zweige, Wurzeln), abgestorbene Pflanzen, Flechten und Pilze der Boden- und Krautschicht, Kadaver, Körperteile, Exkremente, Haare und Federn von Tieren, die Überreste von Mikroorganismen sowie verschiedene Arten an Kohle (Überreste von Waldbränden oder der Köhlerei). Zur Streu zählen somit organische Bestandteile, die als unmittelbar von Organismen stammend identifiziert werden können.
Aus Huminstoffen
Im Zuge der Humifizierung entstehen im Boden neue organische Verbindungen durch biotische und abiotische Vorgänge. Diese Huminstoffe sind Makromoleküle (< 2 µm) und geben dem Oberboden (Ah-Horizont) seine dunkle Färbung. Sie werden nach ihrem Lösungsverhalten gegenüber Laugen und Säuren unterschieden in Fulvosäuren, Huminsäuren und Humine. Huminstoffe haben die Fähigkeit, Wasser sowie Pflanzennährstoffe (Kationen) zu binden und abzugeben (z. B. Na+, K+, Mg2+, Ca2+). Die Kationenaustauschkapazität (KAK) der Huminstoffe übersteigt dabei diejenige der Tonminerale. Daher kommt den Huminstoffen große Bedeutung für die Bodenfruchtbarkeit zu. Außerdem erwärmen sich huminstoffreiche Böden durch die dunkle Färbung im Frühjahr schneller. Huminstoffe sind vergleichsweise langlebige Produkte – insbesondere Humine, die mit Tonmineralien äußerst stabile organomineralische Verbindungen (Ton-Humus-Komplexe) bilden -, können aber letztendlich auch wieder zersetzt und somit mineralisiert werden.
Aus Xenobiotica
Dabei handelt es sich um organische Verbindungen, die vom Menschen produziert wurden (von griechisch xénos = fremd und bíos = Leben). Das können beispielsweise bewusst auf den Boden aufgebrachte Pflanzenschutzmittel oder unbeabsichtigt in den Boden eingebrachte Rückstände von Verbrennungsprozessen sein [z. B. Polycyclische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) aus der Verbrennung von Kohle oder etwa Treibstoffen].
Humus kann in den unterschiedlichsten Bereichen eines Bodens in verschiedenen Mengenanteilen vorkommen. Boden kann auch ausschließlich aus Humus bestehen (Humusböden = O/C-Böden, Moore). Bodentiere können Humus in tieferen Bodenbereichen anreichern. Durch Beackerung wird Humus in tiefere Bodenzonen verbracht (Ap-Horizont, p von Pflug). Auch durch standortbedingte Verlagerungsprozesse (Podsolierung) kann Humus sichtbar im Unterboden angereichert (Bh-, Bhv-, Bbh-, Bsh-, Bhs-, Bht-Horizont) oder durch Erosion mehr oder weniger gleichmäßig im Bodensediment (Kolluvium) verteilt werden. Bei relativ ungestörten terrestrischen Wald- und Freilandböden (z. B. Regosol, Braunerde, Parabraunerde) ist der Humus im Oberboden (A-Horizont) als Mineralbodenhumus und je nach Standorteigenschaften als Auflagehumus (Humusdecke) angereichert.
Der Auflagehumus wird nach AG Boden (2005) unterteilt in:
Förna-Horizont = L-Lage
Dieser oberste Humus-Horizont besteht aus weitestgehend unzersetzter Streu, überwiegend aus Blättern oder Nadeln, die nur wenige Zersetzungsspuren aufweisen (L von englisch Litter = Streu). Der Gehalt an organischer Substanz beträgt mindestens 90%.
Vermoderungs-Horizont = Of-Lage
Außer Überresten von Pflanzen (30-90%), ist eine organische Feinsubstanz deutlich als Ergebnis der Zersetzung sichtbar (f von schwedisch förmulning-sikket oder fermentiert).
Humusstoff-Horizont = Oh-Lage
Im Oh-Horizont, auch als Feinhumus- oder Humusstoff-Horizont bezeichnet, überwiegt die organische Feinsubstanz (h von Humus). Der Anteil an Streuresten mit noch erkennbarer Gewebestruktur liegt unter 30%.
Humusformen
Je nach Standortfaktoren bilden sich unterschiedliche Humusformen des Bodens heraus. Aus einer bestimmten Abfolge von Humus-Horizonten ergibt sich die Humusform. Dabei unterscheidet man aeromorphe (terrestrische), hydromorphe (semi-terrestrische) und subhydrische Humusformen.
Aeromorphe Humusformen
Mull
Im Mull treten unter den Bodenlebewesen viele Bodenwühler auf (zum Beispiel Tausendfüßer, Asseln, Larven, Regenwürmer). Die Streuzersetzung findet vor allem im mineralischen Oberboden statt (Ah-Horizont) und verläuft relativ rasch. Ein Oh-Horizont ist nicht vorhanden, der Of-Horizont fehlt häufig, selbst die L-Lage kann bereits vor dem neuen Streufall aufgearbeitet sein. Die Nährstoffversorgung ist, ebenso wie die Wasser- und Luftverhälnisse, bei meist schwach saurer bis neutraler Bodenreaktion sehr gut. Fehlt der Of-Horizont, spricht man vom L-Mull mit dem Profil: L/Ah/. Bei vorhandenem Of-Horizont liegt ein F-Mull vor.
Moder
Im Moder oder Mullartigem Moder treten die Bodenwühler sehr stark zurück. Die Streuzersetzung verläuft langsam und findet fast ausschließlich im Auflagehumus statt. Beim typischen Moder sind L-, Of- und Oh-Horizont stets vorhanden. Beim Mullartigen Moder ist der Oh-Horizont nur geringmächtig ausgebildet. Die Bodenreaktion ist sauer. Die Nährstoffversorgung deutlich schlechter als beim Mull. Sind die Übergänge zwischen den Humus-Horizonten sowie zwischen Oh- und A-Horizont scharf bis sehr scharf und zeigt der A-Horizont Tendenz zur Podsolierung, so handelt es sich um einen Rohhumusartigen Moder. Bei zunehmender Belichtung des Bodens, etwa durch Überalterung eines Waldbestandes und der damit verbundenen Erwärmung des Waldbodens, kann es zur Ausbreitung der Drahtschmiele (Deschampsia flexuosa) aus der Familie der Süßgräser kommen, wobei der so genannte Graswurzelfilz-Moder entsteht. Der Oh-Horizont des Rohhumus (siehe unten) wird dabei allmählich abgebaut.
Rohhumus
Im Rohhumus fehlen die großen Bodenwühler nahezu. Die Streu stammt vorwiegend von Nadelhölzern. Ihre zersetzung verläuft sehr langsam und findet ausschließlich im Auflagehumus statt. Zum Teil ist sie unvollständig. Stets sind L- und Of-Horizont vorhanden. Der Of-Horizont ist meist so stark durch Verpilzung verfilzt, dass er leicht vom Oh-Horizont abzuheben ist. Der Oh-Horizont kann dann fehlen, wenn durch Streunutzung oder Bodenbearbeitung die Bodenfauna insgesamt stark zurücktritt (man spricht dann von Streunutzungs-Rohhumus, Magerhumus oder F-Rohhumus). Ist ein Oh-Horizont ausgebildet, so ist er dicht gelagert und kompakt. Die Bodenreaktion ist stark sauer, das Nährstoffangebot schlecht.
Tangelhumus
Der Tangelhumus (von Tangeln, die Nadeln von Koniferen, Tangelholz = Nadelbaum, vergleiche auch Tang oder norwegisch „tang“ im Sinne von dichte Pflanzenmasse) ist eine Sonderhumusform des Hochgebirges und tritt zumeist über Gesteinen auf, die bei der Verwitterung nur wenig Feinerde liefern (Kalke, Dolomite). Im Aufbau ist er mit dem Rohhumus vergleichbar. Der Oh-Horizont des Rohhumus ist jedoch extrem sauer. Beim Tangelhumus über Karbonatgestein ist die unterste Schicht (Ovh-Horizont, v von vererdet) hingegen durch Karbonateinfluss nur mäßig sauer bis neutral und sehr gut zersetzt. Die Basensättigung ist im gesamten Humus-Profil recht hoch und liegt meist bei über 90 Prozent. Auch die biologische Aktivität ist gut, sodass Tangelhumus diesbezüglich eher den Moderhumusformen nahe kommt. Über dem Ovh-Horizont liegen mächtige Oh- und Of-Horizonte. Tangelhumus ist mindestens 15, hin und wieder auch bis weit über 100 Zentimeter mächtig. Die zumeist schlecht zersetzbare Streu des Tangelhumus stammt in der Regel von Nadelhölzern, Zwergsträuchern und Moosen, seltener von Laubhölzern.
Hydromorphe Humusformen
Diese Humusformen sind durch den vorherrschenden Einfluss von Wasser und dem damit verbundenen Sauerstoffmangel, der eine geringere Zersetzung der organischen Substanz bewirkt, entstanden.
Anmoor
Diese Humusform ist durch einen Wasserüberschuss des Bodens charakterisiert (langfristig hochanstehendes Grund- oder Stauwasser). Die Verwesung oder Zersetzung der organischen Substanz ist gehemmt. Daher liegt der Humusgehalt im Aa-Horizont (a von anmoorig) bei etwa 15-30 Masse-Prozent. Ein Auflage-Horizont fehlt in der Regel.
Torf
Torf ist die Humusform des Bodentyps Moor. Moore bilden sich, wenn Luftmangel den Abbau der organischen Substanz hemmt, wodurch sich große Mengen davon als Torf anreichern. Dies ist in Seen, an permanent oder periodisch vernässten Standorten der Fall. Große Niederschlagsmengen, niedrige Jahresdurchschnittstemperaturen und hohe Luftfeuchtigkeit tragen ein Übriges bei. Niedermoore bilden sich durch allmähliches Verlanden eines Gewässers vom Ufer aus. Stark wuchernde Pflanzen des Röhrichts wie Schilfrohr (Phragmites australis), Seggen-Arten (Carex spec.) oder Rohrkolben (Typha spec.) liefern das organische Material für die Torfbildung.
Im Laufe des Verlandungsprozesses engt das Röhricht die freie Wasserfläche immer mehr ein, zugleich besiedeln Erlen, Weiden, Moorbirken (Betula pubescens) oder Kiefern den bereits verlandeten Bereich. Der Bruchwald entsteht. Wächst der Torf über die ehemalige Wasseroberfläche heraus, so entsteht verstärkter Nährstoffmangel, da der Kontakt zum Grundwasser verloren geht und Nährstoffe der Vegetation nur über den Niederschlag zugeführt werden. In diesem Stadium, dem Übergangsmoor, siedeln sich erste Hochmoorpflanzen an. Bei weiterem Wachstum verschwindet der Bruchwald und schließlich bilden vor allem Torfmoose, die zahlreichen Sphagnum-Arten sowie Wollgräser (Eriophorum spec.), Moosbeere (Vaccinium oxycoccos), Binsen (Juncus spec.) und andere Hochmoorpflanzen den gewölbten Torfkörper des Hochmoores. Im Idealfall findet sich also eine vertikale Abfolge von vier Bodentypen: Unterwasserboden (zum Beispiel Grauschlammboden, auch Gyttja genannt), Niedermoor, Übergangsmoor und Hochmoor.
Subhydrische Humusformen
Dies sind die Unterwasser- oder Seehumusformen. Dazu zählen:
- Dy: Entstehung in sauerstoff- und sehr nährstoffreichen Seen.
- Gyttia: Entstehung in gut durchlüfteten nährstoffreichen Gewässern.
- Sapropel: Entstehung in relativ sauerstoffarmen, aber dennoch nährstoffreichen Seen
Literatur:
Ad-hoc-Arbeitsgruppe Boden (2005): Bodenkundliche Kartieranleitung, Hrsg.: Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe in Zusammenarbeit mit den Staatlichen Geologischen Diensten, 5. Aufl., 438 S.; 41 Abb., 103 Tab., 31 Listen; Hannover.