Leben im Boden

Grafik Bodenleben
Durchschnittliche Mengenanteile des Edaphons und durchschnittliche Gewichtsanteile der Tiere in einem terrestrischen Boden (Boden ohne Grundwassereinfluß). ©Alexander Stahr

„Igitt“, „eklig“ oder „iihhh!“ wird manch ein Zeitgenosse oder manch eine Zeitgenossin sagen, wenn er oder sie an Würmer, Schnecken, Tausendfüßler, Käfer oder Asseln denkt. Doch diese Tierchen gehören zusammen mit einigen Bakterien, Protisten und Pilzen zu den wichtigsten Lebewesen unseres Planeten. Klar, aus einer Handvoll humosen Oberbodens können ganz schön viele Tierchen herausspringen oder auf kriechende Weise die Flucht ergreifen. Doch das ist nur der sichtbare Teil der „Erdbevölkerung“. In einem guten Boden wimmelt es nur so vor Leben. Und ohne Bodenleben gäbe es überhaupt keinen Boden, der den Pflanzen lebenswichtige Nährstoffe liefert. Somit gäbe es auch uns nicht. Springschwanz & Co. sei Dank! Die Gesamtheit der im Boden lebenden Organismen bezeichnet man in der Bodenkunde als Edaphon (von griechisch „edaphos“ = Erdboden).

Zur Bevölkerungsdichte eines mitteleuropäischen, terrestrischen Bodens (= nicht vom Grundwasser beeinflusster Boden) mit gut entwickeltem Oberboden (A-Horizont) und basenreichem Unterboden (z. B. Braunerde oder Parabraunerde unter Wald) ein paar Zahlen: In einem Quadratmeter Boden von 30 Zentimetern Tiefe (= 300 Kubikdezimeter oder 300 Liter Boden) leben im Durchschnitt etwa 80 Regenwürmer. Dann wuseln noch etwa 50 Asseln umher. Springschwänze sind schon häufiger anzutreffen. So um die 50.000. Das könnte für den Regenwurm schon ziemlich hektisch sein. Doch das ist noch gar nichts. Denn da kriechen noch eine Million Fadenwürmer herum, die von einer Milliarde Wimperntierchen umschwirrt werden. Da interessieren den Regenwurm die etwa zwei Billionen Algen, Pilze und Bakterien (u. a. Actinomyceten, ein Pseudomycel bildende Bakterien) kaum noch. Und der im Durchschnitt 0,0001 Mal vorkommende Maulwurf dürfte für ihn auch nicht von Interesse sein. Es sei denn, er käme ein Mal vor. Und sollte in der Nähe unseres Bodenstückes zufällig ein Nest der Roten Waldameise stehen, kämen vielleicht noch hunderte Ameisen dazu. Denn ihr Bau setzt sich weit in den Boden hinein fort. Diese Zahlen sind zwar nur ungefähre Angaben, verdeutlichen aber die ungeheure Zahl an Lebewesen, die den Boden bevölkern.

Ach ja: Auch wenn die Wurzeln der Pflanzen in der Bodenkunde definitionsgemäß bislang nicht zum Edaphon gerechnet werden, so leben sie doch im Boden. Sie verlassen ihn im Gegensatz zu Regenwürmern, Mäusen oder Hamstern noch nicht einmal. Deshalb kommen zu den Billionen an Lebewesen noch unzählige Wurzeln und Würzelchen hinzu. Im Boden leben somit Bakterien, Pilze, Protisten, Pflanzen und Tiere.

Regenwurmröhre
Regenwurmröhre im Boden. USDA, gemeinfrei

Leistungen des Edaphons (Beispiele)

Mineralisierung
Humus (tote organische Substanz) wird zu anorganischen Verbindungen bis hin zu chemischen Elementen zersetzt, die den Pflanzen als Nährstoffe dienen.

Humifizierung
Aus Zwischen- und Endprodukten des Humusabbaus werden neue relativ stabile Huminstoffe aufgebaut, die Nährstoffe und Wasser reversibel anlagern können.

Nitrifikation
Cyanobakterien (Blaualgen) und andere Nitrifikanten führen Stoffumwandlungen durch. Zum Beispiel die Oxidation von Ammoniak (NH3) zu Nitrat (NO3).

Biologische Verwitterung
Pflanzenwurzeln scheiden u. a. Säuren aus (Wurzelexudate), die das Gestein angreifen. Wurzeln lockern den Boden. Nach dem Absterben der Wurzeln erhöht sich der Porenanteil im Boden.

Lebendverbauung
Die Geflechte von Pilzhyphen, Pseudomycelien (durch Sprossung gebildete, langgestreckte Zellen von Hefen) oder Wurzelhaare „verkleben“ organische und mineralische Komponenten des Bodens und bewirken eine erhöhte Krümelstabilität.

Krümelbildung
Durch den Kot von Bodentieren (Würmer, Schnecken) entsteht ein stabiles Krümelgefüge im Oberboden mit gutem Luft- und Wasserhaushalt.

Lockerung
Die grabende und wühlende Tätigkeit von Würmern, Asseln, Mäusen und anderen Tieren im Boden führt u. a. zur Lockerung und Durchlüftung des Bodens.