Leben im Boden: Bakterien
Im Boden leben unzählige Bakterien (von griechisch „bakterion“ = Stäbchen). Sie gewährleisten den Nährstoffumsatz, stabilisieren die Bodenstruktur, verbessern die Wasserspeicherung und fördern das Pflanzenwachstum. Gemeinsam mit den Pilzen leisten sie den größten Beitrag zum Abbau der organischen Substanz und stellen daraus lebensnotwendige Nährstoffe bereit, die von den Pflanzen aufgenommen werden. In einem Gramm Boden können 100 Millionen Bakterien mit 4.000 bis 7.000 verschiedenen Arten leben.
Bakterien sind einzellige Organismen. Da sie keinen echten Zellkern besitzen, werden sie wissenschaftlich als Prokaryoten bezeichnet (von griechisch „pro“ = vor und „karyon“ = Kern). Bakterien können kugelförmig, stäbchenförmig oder schraubenförmig aussehen. Im Durchschnitt erreichen sie Größen zwischen 0,1 und 20 µm (µm = Mikrometer oder der millionste Teil eines Meters).
In der biologischen Systematik der Lebewesen bilden Bakterien neben den Eucaryota (Lebewesen mit Zellkern) und den Archaea (einzellige Mikroorganismen ohne Zellkern, die sich in ihrer Struktur von den Bakterien unterscheiden) die Domäne „Bacteria“ (Bakterien).
Bakterien leben vor allem im dünnen Wasserfilm, der die Bodenteilchen umgibt, und an Wurzeloberflächen. Sie können sich je nach Art aktiv durch so genannte Geißeln oder passiv mit dem Bodenwasser bewegen. Die meisten Arten ernähren sich von abgestorbener organischer Substanz und den Ausscheidungen der Organismen.
Sie zersetzen organische Abfälle, indem sie Enzyme ausscheiden. Da Bakterien über ein sehr großes Enzym-Spektrum verfügen, sind sie die wichtigsten Zersetzer im Boden. Es gibt keine in der Natur vorkommende organische Verbindung, die sie nicht zersetzen können. Was bleibt dabei übrig? Kohlenstoffdioxid, Wasser und verschiedene Mineralsalze – neue Nahrung für die Pflanzen.
Info: Enzym
Ein Enzym ist ein Stoff oder genauer ein Eiweiß, das eine chemische Reaktion beschleunigt oder verursacht. Enzyme verrichten ihr Werk nicht nur im Boden beim Abbau organischer Substanzen. So gibt es beispielsweise ein Enzym namens Lactase. Es findet sich in der Dünndarmschleimhaut des Menschen. Der Mensch braucht dieses Enzym, um einen chemischen Vorgang auszulösen, der den Milchzucker (Laktose) der Milch aufspaltet und in leicht verdauliche Bestandteile umwandelt. Am Ende seiner „Arbeit“ ist das Enzym wieder unverändert. Daher wird es auch als Katalysator bezeichnet (von griechisch „kataklao“ = zerbrechen und „lyein“ = lösen).
Die Arbeit der Bakterien kann im sauerstoffhaltigen Milieu oder unter Sauerstoffabschluss von statten gehen. Man spricht daher von aeroben und anaeroben Bedingungen. Unter Sauerstoffabschluss finden meist Gärungs- und Fäulnisprozesse statt. Zu den anaeroben Bakterien zählt zum Beispiel die Gattung Clostridium. Einige Arten dieser Gattung können beim Menschen lebensgefährliche Krankheiten verursachen. Zum Beispiel den Wundstarrkrampf oder Tetanus durch Clostridium tetani und den so genannten Gasbrand, eine blutige Wundinfektion mit Gasentwicklung, durch Clostridium perfringens.
Bodenbakterien lassen sich systematisch in vier Gruppen unterteilen:
- Schleimbakterien (= Myxobakterien): Dabei handelt es sich um zumeist stäbchenförmige Organismen, die sich vor allem von anderen Bakterien ernähren.
- Blaugrüne Bakterien (= Cyanobakterien): Das sind so genannte autotrophe Bakterien, die wie Pflanzen Photosynthese betreiben und dabei Sauerstoff produzieren. Sie leben frei im Boden oder beispielsweise gemeinsam mit Pilzen, wodurch sie Flechten bilden.
- Eubakterien: Die meisten Arten leben heterotroph. Sie zersetzen organische Verbindungen durch Veratmung im sauerstoffhaltigen Milieu oder durch Vergärung unter Sauerstoffabschluss.
- Actinomyceten: Dabei handelt es sich um einzellige Organismen, die ein verzeigtes, fadenförmiges Geflecht bilden (= Mycel oder Pseudomycel).
Info: Knöllchenbakterien – der perfekte Deal
Alle Lebewesen sind aus Eiweißen (= Proteine) aufgebaut. Diese setzen sich wiederum aus Aminosäuren zusammen, die Stickstoff (N) enthalten. Zwar sind in der Erdatmosphäre 78 Prozent Stickstoff in seiner elementaren, zweiatomigen Form (N2) vorhanden, aber die Pflanzen können zur Aminosäuren-Synthese Stickstoff nur in Form von Ammonium (NH4+) oder Nitrat (NO3-) verwenden. Die einzigen Lebewesen, die in der Lage sind, Luftstickstoff zu binden, das heißt elementaren Stickstoff (N2) durch Reduktion in eine für Pflanzen verfügbare Form zu überführen, sind Bakterien. Meist holen sich die Pflanzen den benötigten Stickstoff in Form von Nitrat aus der Erde, das dort von Bodenbakterien gebildet wurde. Doch bei Pflanzen aus der Familie der Schmetterlingsblütengewächse (Leguminosae) hat sich eine besondere Lebensgemeinschaft, eine Symbiose gebildet. Stickstoff bindende Bakterien der Gattung Rhizobium (= Eubakterien) leben in bestimmten Bereichen der Wurzel, den so genannten Wurzelknöllchen. Und zwar als so genannte Bakteroide ohne äußere Zellwand.
Diese Bakteroide besitzen Enzyme zur Fixsierung von Luft-Stickstoff (N2). Das wichtigste Enzym unter ihnen ist die Nitrogenase. Der Haken bei ihr: Sie ist sehr empfindlich gegenüber Sauerstoff. Schon bei geringen Sauerstoffmengen macht sie einfach schlapp. Doch ganz ohne Sauerstoff können die Bacteroide auch nicht leben. Was nun? Die genau richtige Sauerstoffkonzentration – nicht zu viel, nicht zu wenig – übernimmt die Pflanze. Das macht sie, indem sie ein eisenhaltiges Protein in den Knöllchen bildet. Dieses so genannte Leghämoglobin bindet ein Zuviel an Sauerstoff und hält seine Konzentration konstant niedrig. Das Leghämoglobin ähnelt in seinem chemischen Aufbau dem gleichfalls Sauerstoff bindenden Hämoglobin unseres Blutes. Daher sind die Wurzelknöllchen ebenfalls rötlich.
Bei dieser Beziehungskiste zwischen Bakterie und Pflanze profitieren beide Partner: Die Pflanze wird mit Luftstickstoff versorgt und die Bakterien erhalten dafür im Gegenzug Kohlenhydrate und andere organische Verbindungen von der Pflanze – der perfekte Deal. Dese Symbiose ist auch von wirtschaftlicher Bedeutung. Da überschüssige Ammonium-Ionen wieder ausgeschieden werden, nimmt der Stickstoffgehalt des Bodens und somit der Ertrag zu. Beim so genannten Fruchtwechsel werden vom Landwirt in jedem Jahr abwechselnd Leguminosen und andere Pflanzen angebaut. Dabei werden die Leguminosen wieder untergepflügt, um die Stickstoffdüngung noch zu verstärken.
Bauplan
Die Zelle einer Bakterie ist wesentlich einfacher aufgebaut als die Zellen mehrzelliger Lebewesen. Bakterien gehören daher zusammen mit den Blaualgen auch zu den sogenannten Protocyten. Am besten ist der Bauplan von Escherichia coli (E. coli) untersucht. Dieses Bakterium hat einen erheblichen Anteil an der menschlichen Darmflora. In der Natur findet man es überall da, wo Exkremente abgebaut werden. E. coli ist ein Hauptuntersuchungsobjekt molekularbiologischer Forschung. Es dürfte daher zu den besterforschten Organismen gehören. Bakterien sind wesentlich kleiner als die Zellen von mehrzelligen Lebewesen. E. coli ist 2 µm lang und 0,8 µm dick. Die Zelle wiegt 2·10-12 g und hat ein Teilchengewicht von ca. 1012 Da. Im Vergleich dazu ist eine mittlere tierische Zelle etwa 1.000 mal schwerer. 1 Da (Abkürzung für „Dalton“) ist die Masseneinheit für Atome und Moleküle.
Bakterien besitzen keinen Zellkern. Die Gensubstanz (DNA) der Bakterien liegt in einer zentralen Region der Zelle. Sie wird als Nucleoid bezeichnet. Die DNA-Menge beträgt nur 1/1000 derjenigen eines normalen Zellkerns. Echte Chromosomen, wie sie bei der Kernteilung von Mehrzellern auftreten, können nicht gebildet werden. Das Nucleoid ist frei von Ribosomen. Das übrige Zellplasma ist jedoch dicht erfüllt von Ribosomen (E. coli ca. 104). Die Aufgabe von Ribosomen ist die sogenannte Translation. Es ist der Prozess der Eiweißbildung in einer Zelle.
Am Zellrand befinden sich im Plasma verschiedenste Anhäufungen von Reservestoffen. Bei anaerob (ohne Sauerstoff) lebenden ist das hauptsächlich Glykogen (Stärke), das auch Tieren oder Pilzen als Speicherstoff dient. Bei sauerstoffbedürftigen Bakterien (Aerobiern) sind es dagegen häufig Tröpfchen aus Polyhydroxybuttersäure, die als Speicherstoff dienen. Polyphosphat schließlich dient bei allen Bakterien als Energiespeicher.
Im Elektronenmikroskop hat die Plasmamembran das Erscheinungsbild einer Elementarmembran. Sie bildet stellenweise Einfaltungen. Wenn sich die Zelle zu teilen beginnt, werden an den Seiten in der Mitte des Zellleibs Septen gebildet. Oft treten mit diesen Septen Membranbündel auf, die als Mesosomen bezeichnet werden. Man vermutet in den Mesosomen Orte besonders intensiver Zellatmung. Bei photosynthetischen Bakterien trägt ein zweiter Typ solcher Membraneinfaltungen die Pigmente, die Teilschritte der Photosynthese ausführen. Man nennt diese Einfaltungen aufgrund ihrer Ähnlichkeit mit den Chloroplasten der Pflanzen Thylakoide. Von einer Membran umgebende Organellen besitzen Bakterien nicht.
Die Zellwand dient zur Formgebung und Zellstabilisierung. Ein regelmäßiges Gespinst aus Glykopeptiden (= Eiweiße mit Kohlenhydratanteil) ist das strukturgebende Element der Bakterienzellwand. Da nur Protocyten dieses Kettenhemd (Murein-Sacculus) besitzen und menschliche Zellen nicht, setzt hier die Wirksamkeit der Antibiotika an. Penicillin z. B. zerstört dieses Gebilde nicht, verhindert aber seine Neubildung und hemmt dadurch das Wachstum der Bakterien. Niedere Pilze sind Konkurrenten von Bakterien. Sie leben oft auf demselben Substrat und haben über Jahrtausende wenn nicht Jahrmillionen unzählige Antibiotika entwickelt um sich gegen Bakterien zu behaupten. Heute macht man sich das zu Nutze, um diese Antibiotika gegen Bakterien einzusetzen, die zu Krankheiten führen.
Es gibt aber auch von Natur aus wandlose Bakterien, sogenannte Mykoplasmen. Sie lösen Erkrankungen bei bestimmten Tieren und Pflanzen aus. Zu den Mykoplasmen gehören die kleinsten zellulären Lebewesen. Sie sind mit einem Druchmesser von 100 nm kleiner als Pockenviren. Mit dieser Größe ist auch die unterste Grenze von zellulären Organismen erreicht.
Auf der Außenseite der Zellwand haben Bakterien verschiedenste Strukturen. Z. B. überziehen diese die eigentliche Zellwand mit einer schleimigen Schicht. Diese Wandstoffe tragen dazu bei, dass Bakterien erstaunlich unempfindlich gegenüber äußeren Einflüssen sind. Eine Besonderheit von gewissen Bakterien, der Bacillaceen, ist die Bildung von Sporen. Das sind stabile Dauerformen. Die Sporenwand ist besonders dick und in mechanischer als auch chemischer Hinsicht besonders stabil. Manche Sporen überstehen stundenlanges kochen.
Formen
Bakterien haben verschiedene Formen und Größen. Es gibt kugelförmige (Kokken), zylinderförmige (Stäbchen), wendelförmig (Spirillen, Spirochäten) Formen. Außerdem gibt es Bakterien mit Stielen (Caulobacter) oder mit Anhängen (Hyphomicrobium). Oft kommen Bakterien in Aggregaten wie Kugel- oder Stäbchenketten vor.
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