Solifluktionsschuttdecke
Eiszeitliche Solifluktionsschuttdecke im Rheinischen Schiefergebirge (Taunus) mit charakteristischer hangabwärtiger Einregelung der Längsachsen gröberer Komponenten. ©Alexander Stahr

Voraussetzung für die Entwicklung eines Bodens ist die Verwitterung des Gesteins, sieht man einmal von rein organischen Böden wie Moore ab. Die Art und Zusammensetzung des verwitterten Ausgangsgesteins der Bodenbildung bestimmen im Zusammenwirken mit anderen Umwelt- oder Standortfaktoren schließlich die Merkmale und Eigenschaften des Bodens.

In Mitteleuropa und angrenzenden Gebieten im Periglazialraum stellten die autochthonen (= an Ort und Stelle) Verwitterungsprodukte der anstehenden Gesteine nur in exponierten Bereichen (z. B. unmittelbare Kammlagen der Mittelgebirge) das Ausgangssubstrat der Bodenbildung. Die überwiegende Mehrzahl der Böden ist in eiszeitlichen, periglaziären oder quartären Deckschichten entwickelt, auch Schuttdecken, Solifluktionsschuttdecken, Fließerden oder Lagen genannt.

Vor rund 2,6 Millionen Jahren begann das jüngste Eiszeitalter der Erdgeschichte im Verlauf dessen sich Eiszeiten und Warmzeiten bis zum Beginn unserer aktuellen Warmzeit (Holozän) vor rund 11.700 Jahren mehrfach abwechselten. Das jüngste Eiszeitalter deshalb, weil mehrere ältere nachgewiesen sind. Beispielsweise das Huronische Eiszeitalter vor etwa 2,3 Milliarden Jahren oder das Varanger-Eiszeitalter zwischen 850 und 550 Millionen Jahre vor heute. Den erdgeschichtlichen Zeitabschnitt vom Beginn des jüngsten Eiszeitalters bis zum Holozän nennt man Pleistozän (von griechisch pleistos = am meisten und kainós = neu). Pleistozän und Holozän bilden zusammen das Quartär. Aus den Alpen heraus bewegten sich während der Eiszeithöhepunkte (Hochglaziale) des Pleistozäns Gletscher bis weit in die nördlichen und südlichen Vorländer. Aus Richtung Skandinavien erreichten Gletscher weite Bereiche Nord- und Ostdeutschlands. Dazwischen beherrschte in den Eiszeiten jeweils über mehrere Tausend Jahre eine gletscherfreie Tundra die Landschaft, die als Periglazial bezeichnet wird (von griechisch peri = um und von lateinisch glacies = Eis). Solche Tundrenlandschaften gibt es heute zum Beispiel im nördlichen Kanada oder in Sibirien.

Am besten erforscht ist die Würm-Eiszeit oder das Würm-Glazial, die jüngste Vereisungsphase des Pleistozäns. Sie wird zusammen mit der vorangegangenen „nur“ etwa 11.000 bis 15.000 Jahre währenden Riß-Würm-Warmzeit (= Eem-Warmzeit in Nordeuropa, benannt nach dem Fluss Eem in den Niederlanden), die durch um 5 Grad Celsius höhere Jahresmitteltemperaturen als heute charakterisiert ist und in Mitteleuropa eine Tierwelt aufwies, die fast derjenigen ähnelt, wie wir sie heute im trockentropischen Ostafrika oder im tropischen Zentralafrika vorfinden, in das Jungpleistozän gestellt. Zu den Vertretern dieser Warmzeit gehörten fossilen Funden zufolge unter anderen der Waldelefant (Elephas antiquus), das Nashorn (Dicerorhinus kirchbergensis), das Flusspferd (Hippopotamus amphibius), der Höhlenlöwe (Panthera leo spelaea) oder die Höhlenhyäne (Crocuta crocuta spelaea). Im Vergleich dazu ist unsere derzeitige Warmzeit im Grunde genommen deutlich zu kalt, was sie durch die Klimaerwärmung seit Mitte des 19. Jahrhunderts nach dem Kälterückschlag der „Kleinen Eiszeit“ aufzuholen scheint.

Ihren Namen hat die jüngste Eiszeit von der Würm, dem rund 35 Kilometer langen Abfluss des Starnberger Sees im bayerischen Voralpenland (für Nordeuropa und das nördliche Mitteleuropa trägt diese jüngste Vereisungsphase die Bezeichnung Weichsel-Eiszeit oder Weichsel-Glazial nach dem Fluss Weichsel in Polen). Für den periglazialen, gletscherfreien Raum wird auch der Begriff „Kaltzeit“ verwendet. Im Verlauf einer rund 100.000 Jahre währenden Eiszeit (Kaltzeit) – Warmzeiten im jüngeren Pleistozän dauerten bislang zwischen 10.000 und 20.000 Jahren – gab es wärmere und kältere Klimaphasen. Bekannt sind für die Würm/Weichsel-Eiszeit bislang mindestens zehn Stadiale und mehr als zehn Interstadiale (Stadiale = Kaltphasen und Interstadiale = Warmphasen innerhalb einer Eiszeit).

Quartär

Der Begriff „Quartär“ stammt vom lateinischen quartus für „der Vierte“. Er wurde 1829 von dem französischen Geschichtsschreiber, Archäologen und Geologen Jules Desnoyers (1800-1887) vorgeschlagen, um relativ junge Sedimente im Pariser Becken anzusprechen. Damit sollte das Quartär die vierte und letzte Abteilung einer heute nicht mehr verwendeten Gliederung der Erdgeschichte darstellen, die so aussah: Primär, Sekundär, Tertiär und Quartär. Heute umfasst das Quartär den geologischen Zeitraum zwischen 2,6 Millionen Jahren vor heute bis zu unserer Gegenwart.

Holozän

Der Begriff Holozän (von griechisch hólos = ganz und kainós = neu) bezeichnet den Zeitraum vom Ende der letzten Eiszeit (ca. 11.700 vor heute) bis zur Gegenwart. Das Holozän ist somit der jüngste Abschnitt der Erdgeschichte und bildet zusammen mit dem Pleistozän das Quartär.

Im Verlauf sehr kalter Phasen einer Eiszeit (Hochglaziale und auch noch im Spätglazial der Würm- oder Weichsel-Eiszeit) war der Boden im Periglazialraum oder im gletscherfreien Raum über lange Zeiträume bis in große Tiefen gefroren, was als Dauer- oder Permafrostboden bezeichnet wird. In wärmeren Phasen taute der waldfreie Untergrund oberflächlich auf. Das Tau- und auch Niederschlagswasser konnte im gefrorenen Untergrund nicht versickern. Daher begann das mit Wasser getränkte Lockermaterial, sich sehr langsam die Hänge hinab zu bewegen. Man bezeichnet diesen Vorgang als Solifluktion, was übersetzt „Bodenfließen“ heißt (von lateinisch solum = Boden und fluere = fließen). Das Ergebnis dieser Prozesse über lange Zeiträume ist eine vertikale Abfolge von unterschiedlichen Schuttdecken oder Lagen, die das Ausgangssubstrat der Bodenbildung stellten.

Solifluktion

Dieser Begriff bedeutet übersetzt Bodenfließen. Wörtlich genommen, setzt dies tatsächliche, mehr oder weniger plastische „Fließbewegungen“ voraus. Bei ausreichendem Wasserangebot und Feinmaterialanteil kann sich das Lockermaterial eines Hanges unter Herabsetzung der Scherfestigkeit (aus innerer Reibung und Kohäsion) in Fließloben als witterungs- und temperaturabhängiges Durchtränkungs- oder Sättigungsfließen sehr langsam den Hang hinabbewegen. Dies kann man heute (rezent) z. B. vielerorts in den Zentralalpen in Höhenlagen von über 2.000 Metern oder etwa in subarktischen Regionen über Dauerfrost beobachten. Und zwar meist unter einer mehr oder weniger ausgebildeten Vegetationsdecke, etwa aus Polsterpflanzen oder alpinen Krummseggen-Rasen. Im Bereich des Permafrostes ist auch eine andere Art der Materialverlagerung an Hängen wirksam. Wasser dehnt sich beim Gefrieren aus. Dadurch wird am Hang Gesteinsmaterial unterschiedlichster Größe senkrecht zur Hangoberfläche angehoben. Taut das Bodeneis, bewegen sich die Gesteinsfraktionen lotrecht nach unten. Auf diese Weise „wandert“ das Lockermaterial eines Hanges allmählich talwärts, was Regelationsfließen genannt wird. In der Literatur wird diese Bewegungsform auch als Bodenkriechen oder Frostkriechen bezeichnet. Diese Form der Materialverlagerung ist vergleichsweise unabhängig von der Menge an Feinmaterial. Auch feinmaterialarme Verwitterungsprodukte mit hoher innerer Reibung können auf diese Art hangabwärts verlagert werden. Aufgrund der Frostwechsel waren Sättigungs- und Regelationsfließen unter eiszeitlichem Klima gemeinsam wirksam, wobei Regelationsfließen in der Auftauphase stattfand.  Solifluktion kann schon bei Hangneigungen ab zwei Grad einsetzen. Solifluidale Bewegungen in rezenten Periglazialgebieten weisen Beträge zwischen zwei und 20 cm pro Jahr auf. So bleibt festzuhalten, dass Materialverlagerungen, auf welche Art letztendlich auch immer, nur um vergleichsweise geringe Entfernungen im Jahr erfolgten.