Goethe
Johann Wolfgang von Goethe (1749–1832) etwa im Jahr 1775. Gemeinfrei
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Bereits vor 3.000 Jahren haben die Chinesen und Ägypter, später auch die Griechen, den Boden nach seinem Nutzwert beurteilt. Die unterschiedlichen Böden wurden erfasst und es wurden Vorschläge zu ihrer Verbesserung erarbeitet. Bis vor 150 Jahren nannte man dies „Agrologie“. Auch der berühmte Dichter, Naturforscher und Naturphilosoph Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832) versuchte sich als Agrologe, indem er Verwitterungserscheinungen beobachtete und in Italien eine Terra rossa (Kalksteinrotlehm) beschrieb.

Ein eigenes Fachgebiet

Die ersten rein naturwissenschaftlichen Forschungen am Boden begannen im 19. Jahrhundert durch den Agrologen Carl Sprengel (1787-1859) und den Chemiker Justus von Liebig (1803-1873). Als eigenes Fachgebiet ist die „Bodenkunde“ im Jahr 1862 durch das Lehrbuch des deutschen Geologen, Pedologen und Juristen Friedrich (Frédéric) Albert Fallou (1794-1877) „Pedologie oder allgemeine und angewandte Bodenkunde“ bekannt geworden. Fallou befasste sich mit der Entwicklungsgeschichte der Feld- und Waldböden und veröffentlichte über dieses Thema sechs Bücher.

Darwin und die Regenwürmer

Auch der große Naturforscher Charles Darwin (1809-1882) befasste sich mit dem Boden. Nach seiner Weltumsegelung von 1831-1836 verließ Darwin England nicht mehr. Schließlich bezog er Down House in Kent, in dem er bis zu seinem Tod lebte. Dort legte er unter anderem Steine im Garten aus und beobachtete über 40 Jahre ihr Verschwinden im Boden. „The formation of vegetable mould, through the action of worms” (Die Bildung der Ackererde durch die Tätigkeit der Würmer) lautet der Titel einer Schrift von Darwin. Darin zeigte Darwin erstmals die Bedeutung von Bodenorganismen für die Bodenbildung und Bodenentwicklung. Im Jahr 1936 wurde Darwin deshalb in der seit 1899 herausgegebenen russischen „Pochvovedenie“, der ersten Zeitschrift für Bodenkunde, von deren Herausgeber A. A. Yarilov (1868–1947) als einer der Gründerväter der Bodenkunde gewürdigt.

Regenwürmer galten Anfang des 19. Jahrhundert bei den meisten Zeitgenossen als Schädlinge. Darwin beobachtete ihre Lebensweise, führte Experimente zu ihrer Wahrnehmung, Lichtempfindlichkeit und ihrem Temperaturempfinden durch. Er bewies schließlich ihre Nützlichkeit für den Boden. Der russische Bodenkundler Mercurii Sergeivich Ghilarov (1912–1985) bezeichnete Darwins Veröffentlichung zum Boden deshalb als „eine Wurzel der Wirbellosen-Ethologie“.

Begründer der Bodenkunde und der Agrarwissenschaft

Wassilij Wassiljewitsch Dokučaev
Wassilij Wassiljewitsch Dokučaev (1846-1903). Gemeinfrei
Albrecht Daniel Thaer
Albrecht Daniel Thaer (1752-1828) gilt als Begründer der Agrarwissenschaft. Gemeinfrei

Von 1878 bis 1898 veröffentlichte der deutsche Agronom Martin Ewald Wollny 20 Bände unter dem Titel „Forschungen auf dem Gebiete der Agrophysik“, die bereits moderne bodenphysikalische Fragen aufgriffen. Als Begründer der Bodenkunde gilt jedoch der russische Geowissenschaftler und Naturforscher Wassilij Wassiljewitsch Dokučaev (1846-1903), der 1883 den Band „Ruskij černozem“ (Die russische Schwarzerde) herausgab. In diesem Werk werden erstmals die Zusammenhänge zwischen Klima, Vegetation und Bodenbildung herausgestellt. Als Begründer der Bodenkunde als eigenständige Wissenschaft in Deutschland ist Emil Ramann (1851-1926) zu nennen, der ab 1900 Professor für Bodenkunde und Agrikulturchemie an der Universität München war. Als Begründer der Agrarwissenschaft gilt Albrecht Daniel Thaer (1752-1828). Er wies z. B. die Bedeutung der postmortalen organischen Substanz (Humus) für die Bodenfruchtbarkeit hin. So schrieb Thaer in seinem Werk „Grundsätze der rationellen Landwirthschaft“: „So wie der Humus eine Erzeugung des Lebens ist, so ist er auch die Bedingung des Lebens.“

Bodenkundliche Gesellschaften im deutschsprachigen Raum

In Deutschland ist seit 1926 die Deutsche Bodenkundliche Gesellschaft (DBG) das Sammelbecken aller am Boden Interessierter. Sie wurde am 24.02.1926 in Berlin als Sektion der Internationalen Bodenkundlichen Gesellschaft (IBG) gegründet. Mit der Gründung der Bundesrepublik Deutschland wurden geologische Landesämter eingerichtet, deren bodenkundliche Abteilungen mit der Aufgabe der bodenkundlichen Landesaufnahme (Kartierung) betraut wurden. Mit dem Fall der Berliner Mauer im November des Jahres 1989 begann erneut eine gesamtdeutsche Bodenkunde. Dies geschah in folgenden Teilschritten: Vereinheitlichung der Bodensystematiken und Nomenklaturen von Ost und West zu einer ersten gemeinsamen Bodenkundlichen Kartieranleitung (KA 4; 1994). Übertragung der beiden existierenden Teilbodenkarten Deutschlands in die erste gesamtdeutsche Version einer Bodenübersichtskarte im Maßstab 1:1.000.000 mit bodenregionaler Gliederung (1995). Entwicklung und sukzessive Realisierung eines von allen Geologischen Diensten Deutschlands getragenen Konzepts einer einheitlichen Bodenübersichtskarte im Maßstab 1:200.000 (seit 1997 fortlaufend).

Auf Initiative von Professoren der Universität für Bodenkultur in Wien wie auch von Direktoren der landwirtschaftlich-chemischen Bundesanstalten Österreichs wurde im Jahr 1954 die Österreichische Bodenkundliche Gesellschaft (ÖBG) gegründet. Die Bodenkundliche Gesellschaft der Schweiz (BGS) wurde im Jahr 1975 gegründet. Bei der Gründungsversammlung waren es 27 Mitglieder. Darunter Vertreter von Behörden, Forschungsinstitutionen und privaten Unternehmen. Heute zählt die Schweizer Gesellschaft 360 Mitglieder.

International

Im Jahr 1924 wurde die International Society of Soil Science (ISSS) gegründet und 1998 in International Union of Soil Sciences (IUSS) umbenannt. Alle vier Jahre richtet die IUSS an verschiedenen Orten den Weltkongress der Bodenkunde aus (World Congress of Soil Science WCSS). Der IUSS gehören mehr als 80 nationale und regionale Gesellschaften aus aller Welt an. Mehr als 50.000 Wissenschaftler, die sich mit Bodenkunde befassen, sind in der IUSS vertreten. So auch die deutschsprachigen Gesellschaften (Deutsche Bodenkundliche Gesellschaft, Österreichische Bodenkundliche Gesellschaft, Bodenkundliche Gesellschaft der Schweiz). Das Publikationsorgan der IUSS ist das zweimal jährlich erscheinende IUSS Bulletin.

Eine interdisziplinäre Wissenschaft

Die moderne Bodenkunde ist heute eine Wissenschaft, die zahlreiche Fachgebiete in sich vereint. Dass dies notwendig ist, liegt an der äußerst extremen Komplexität des Bodens. Zu diesen Fachgebieten zählen je nach Ausrichtung der bodenkundlichen Forschung:

Naturwissenschaften: Physik, Chemie
Biowissenschaften: Botanik, Zoologie, Mikrobiologie, Biochemie, Ökologie
Geowissenschaften: Geologie, Mineralogie, Physische Geographie, Bodengeographie, Hydrologie, Hydrogeologie, Vulkanologie, Kartographie, Fernerkundung, Meteorologie, Geophysik
Ingenieurwissenschaften: Bodenmechanik
Humangeographie
Archäologie
Geschichtswissenschaften