Paläoboden im Hintertaunus
Ein von eiszeitlichem Solifluktionsschutt überdeckter, fossiler Plinthosol aus dem mittleren Tertiär weißt durch seine rötliche Färbung (Hämatit) auf ein sehr warmes Klima hin. Die Aufnahme entstand in einem Steinbruch im Hintertaunus. ©Rainer Dambeck, Universität Frankfurt a. M.

Geologen, Geomorphologen, Geographen, Paläontologen, Botaniker, Klimaforscher, Historiker, Anthropologen, Archäologen und engagierte Heimatkundler erforschen die Landschafts- und Kulturgeschichte unserer Erde. Dabei können der Boden und die Bodenkunde eine wertvolle Hilfe für all diese Wissenschaftsdisziplinen und Heimatforscher leisten, denn Boden hat ein überaus feines Erinnerungsvermögen, das dem Bodenkundler zahlreiche Geschichten erzählt. Boden ist nicht nur die Lebensgrundlage von Mensch, Tier, Pflanze und unzähligen Mikroorganismen, sondern auch ein einmaliges und unwiederbringliches Archiv der Landschafts- und Kulturgeschichte.

Böden als Zeugen der Landschaftsgeschichte

Hinsichtlich der Landschaftsgeschichte können Böden von vergangenen Klimaten und dem Wandel des Klimas „berichten“. Über viele Jahrmillionen, man könnte sogar sagen während der längsten Zeit der Erdgeschichte, herrschten über dem Flecken Erde, auf dem sich heute Europa erstreckt, feucht-warme bis heiße Klimate. Denn vor 250 Millionen Jahren, als das Erdmittelalter oder Mesozoikum begann, lagen die Bruchstücke des heutigen Europas noch nahe am Äquator. Auch im Tertiär, das vor 65 Millionen Jahren begann und vor 2,6 Millionen Jahren endete, herrschten warme Klimate vor, unter denen eine intensive chemische Verwitterung der Gesteine erfolgte. Dabei bildet sich aus dem im Gestein enthaltenen Eisen die Eisenverbindung oder das Eisenoxid Hämatit (Fe2O3). Der Name stammt vom griechischen haimatoeis, was blutig bedeutet. Werden Gesteinskörnchen mit einem dünnen Häutchen aus feinen Oxidpartikeln überzogen, erscheinen sie rötlich.

Infolge dieser lang andauernden Prozesse über Jahrmillionen kam es bis in größere Tiefen zur Verwitterung der Gesteine. Dadurch wurden sie mancherorts bis in mehrere Dekameter Tiefe regelrecht „matschig“. Sie können heute mit einer Spitzhacke oder einem Bagger gegraben werden. Für Bauherren und Bauträger in den Mittelgebirgen ist das sicherlich nichts Neues. Man nennt diese tiefere Verwitterungszone Faulfels oder Saprolith (von griechisch sapros = verfault und lithos = Stein). Oberflächennah entwickelten sich über dem Saprolith rötliche, tonreiche und nährstoffarme Böden wie man sie heute aus den Tropen kennt (z. B. Ferralsols oder Plinthosols). Solche kaolinithaltigen Böden erscheinen durch das Eisenoxid Hämatit rötlich. In einigen Gegenden Mitteleuropas sind Relikte der roten Böden auch heute noch als Klimazeugen anzutreffen. Von einem trockeneren, kontientalen Klima des Holozäns in Mitteleuropa zeugen die Vorkommen der Schwarzerden (Tschernoseme).

Wimbachtal, Berchtesgadener Alpen
In Hochgebirgen wie den Alpen (hier Wimbachtal in den Berchtegadener Alpen) führen Starkniederschläge immer wieder zu Überschüttungen von Bodenbildungen, sodass im Aufschluss mehrere begrabene (fossile) Oberbodenhorizonte von Rendzinen sichtbar werden, was die zum Teil extreme Morphodynamik im Hochgebirge verdeutlicht. Die Aufnahme zeigt vier humose Oberböden (Ah-Horizonte) von Rendzinen, die bis auf den Obersten überschüttet wurden. ©Ewald Langenscheidt, Büro Geo&Natur, Rotthalmünster.

Dort, wo vor ungefähr 10.930 v. Chr. Laacher See Tephra, als Fallout niederging (z. B. im Rheinischen Schiefergebirge, im Bereich der Oberhessischen Schwelle oder im Vogelsberg), zeugen Lockerbraunerden vom den gewaltigen Eruptionen des Laacher See Vulkans. Die Abfolge von mehreren fossilen Böden (z. B. Lohner Boden, Altwürm Humuszone) innerhalb mächtiger Lössakkumulationen der jüngsten Eiszeit (Würm-Eiszeit) belegt einen mehrfachen Klimawandel innerhalb der Eiszeit, so dass aufgrund der Paläoböden von einem Würm-Eiszeitkomplex mit Warm- und Kaltphasen auszugehen ist. Eiskeile oder Frostmusterböden in eiszeitlichen Sedimenten zeugen von der Bodendynamik unter periglazialem, tundraähnlichem Klima. Böden erzählen auch von den Prozessen in einer Landschaft, deren Häufigkeit, Intensität und Ursachen. Etwa überschüttete, gestauchte und mehr oder weniger abgetragene (erodierte) Böden. Bedeutung als Archive der Landschaftsgeschichte haben auch Böden aus selteneren oder besonderen Substraten. Beispielsweise Böden aus Seetonen oder Schieferkohlen. Beim langsamen Wachstum von Mooren (Bodenklasse: Natürliche Moore) werden kontinuierlich Pollen (Blütenstaub) der umgebenden Vegetation in den Moorkörper eingebettet. Anhand von Bohrkernen können mittels Pollenanalyse Rückschlüsse auf die Pflanzengesellschaften und das Klima seit Entstehung des Moores gezogen werden. Die Vegetationsentwicklung liefert wiederum Informationen über die nacheiszeitliche Besiedlungsgeschichte und Entwicklung des Menschen.

Böden als Zeugen der Kulturgeschichte

Historische Holzkohle
Holzkohlestücke im Boden unter Wald sind neben der Geländemorphologie ein Hinweis auf die historische Köhlerei und einen Meilerplatz, wenn sie lokal begrenzt und in großer Anzahl vorkommen. ©Alexander Stahr

Die Hinterlassenschaften des Menschen findet man nicht nur in Mooren, sondern auch in vielen anderen Böden. Ein Boden kann daher nicht nur Archiv der Landschaftsgeschichte, sondern auch der Kulturgeschichte sein. So etwa Böden von ehemaligen Weinanbaugebieten, Ackerflächen, von Kohlenmeilerstandorten oder Orten der prähistorischen und frühgeschichtlichen Besiedelung.

Überall in Europa und andernorts hinterließ der Mensch seine Spuren seit frühester Zeit. In geologisch rasantem Tempo hat er die Landschaften umgestaltet, an vielen Orten aus einer Natur- eine Kulturlandschaft geschaffen: Altstraßen, ehemalige Kohlenmeilerstandorte, Relikte des Ackerbaus in Form von Ackerterrassen und nicht zuletzt der Limes, Kastelle und andere Hinterlassenschaften der römischen Besatzer zeugen davon. Das Ausmaß und die Formen der historischen Spuren in unseren Wäldern zeigen, dass der Mensch bereits früh begann, in das Landschaftsbild einzugreifen. Gewaltige Ausmaße erreichten die Eingriffe gegen Ende des 18. Jahrhunderts und im beginnenden 19. Jahrhundert.

Ackerterrasse
Terrassen im Wald zeugen vom historischen Ackerbau. Auf der talwärtigen Seite derartiger Terrassen ist oft eine Zunahme von abgetragenem Bodenmaterial (Kolluvium) festzustellen. ©Alexander Stahr

Aus prähistorischer Zeit sind vielfach nur Einzelfunde des Menschen bekannt. Wesentliche Eingriffe in die Umwelt sind für diese Zeit sicherlich auszuschließen. Erste nennenswerte Veränderungen des Landschaftsbildes in Mitteleuropa dürften in der Bronzezeit, Hallstattzeit und in der Antike durch die Römer erfolgt sein. So etwa im Zuge der Anlage von Verkehrswegen oder der Errichtung von Kastellen und des Limes. Häufig finden sich unter Wald zahlreiche Relikte alter Straßen, die zum Teil schon seit der Bronzezeit (2.200 v. Chr. bis 800 v. Chr.) als wichtige Verbindungswege dienten, auf denen zum Beispiel Metalle, Salz, Waffen oder Schmuck über weite Strecken durch ganz Europa transportiert wurden. Man spricht bei diesen Straßen auch von Altwegen, Hohlwegen oder Wegehohlen. In ihrer heutigen Gestalt dürften viele von ihnen aus dem späten Mittelalter und der frühen Neuzeit stammen.

Die Hohlformen der Altwege entstanden durch ständiges Befahren bei gleichzeitiger Auswaschung durch Starkniederschläge. Zum Teil wurde auch Material im Zuge von Ausbesserungsmaßnahmen ausgeräumt. Häufig verlaufen mehrere Altwege parallel zueinander als regelrechte Wegebündel, wobei je nach Zustand, mal der eine oder andere Weg befahren wurde. Heute zeigen sich die Begrenzungen der Altwege infolge jahrhundertelanger Erosion meist gerundet. Sie sind recht eindrucksvolle Zeugnisse vergangener Epochen und in der Regel geschützte Bodendenkmäler. Leider wurden die Hohlformen der Altstraßen in der jüngeren Vergangenheit oftmals Verfüllt oder durch den Forstbetrieb eingeebnet.

Altstraße im Taunus
Massive Bodenveränderungen finden sich im Bereich von Altstraßen. Hier im Taunus zwischen Wiesbaden und Taunusstein. ©Alexander Stahr

Bis vor rund 200 Jahren waren Holz und insbesondere Holzkohle, sieht man einmal vom Wind und fließendem Wasser ab, die wesentlichen Energieträger. Von großer wirtschaftlicher Bedeutung war daher die Köhlerei. Holzkohle wurde in großen Mengen vor allem zur Verhüttung von Erzen benötigt. Davon zeugen die zahlreichen historischen Kohlenmeilerstandorte in unseren Wäldern. Allein die große Anzahl und Dichte der Meilerplatten, aber auch der notwendige Abstand eines Meilers zum Wald lässt darauf schließen, dass es in Deutschland und Mitteleuropa lange Zeit keinen Hochwald gab. Bereits am Ende des 18. Jahrhunderts war der Waldanteil in der Landschaft infolge der starken Nutzung stark zurückgegangen. Die Verwüstung war so weit fortgeschritten, dass eine Energiekrise drohte. Die Bodenerosion nahm gewaltige Ausmaße an. Hiervon zeugen Erosionsschluchten in den Mittelgebirgen, so genannte Runsen, und die Akkumulation von Bodensediment (Auenlehm) in den Auen der Bäche und Flüsse. Gestörte Bodenprofile mit Glasbruchstücken oder Schlacken sowie Böden mit Überdeckungen aus Abraum und der dadurch lokal neuen Bodendynamik (z. B. Tendenz zur Podsolierung) weisen auf Glashütten, Rennöfen und Bergbau hin. In Hochlagen der Mittelgebirge an Feinmaterial verarmte Standorte mit Podsolierungstendenz belegen dort, wo sich heute Wald erstreckt, die ehemalige landwirtschaftliche Nutzung. So etwa auf dem Großen und Kleinen Feldberg im Taunus, was bereits die Namen der Berge verdeutlichen.

Weitere Informationen zum Thema von der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Bodenschutz (LABO): Archivböden – Empfehlungen zur Bewertung und zum Schutz von Böden mit besonderer Funktion als Archiv der Natur- und Kulturgeschichte.