Ebbe
Leben mit den Gezeiten. ©Alexander Stahr

Das Watt ist ein Lebensraum, der durch die Gezeiten zeitweise trocken fällt. Die Bodeneigenschaften des Bodentyps Watt werden durch Strömungen mehr oder weniger stark beeinflusst. In Bereichen, die nicht so großen Wasserbewegungen ausgesetzt sind, ist es möglich, dass Schwebstoffe auf den Bodensinken können. Diese Schwebstoffe und Kieselalgen (Diatomeen) sind die Nahrungsgrundlage für diverse Würmer, Schnecken und Muschelarten.

Der Wattboden bietet den Tieren nicht nur Nahrung, sondern auch Schutz vor Fressfeinden und den in diesem Lebensraum extremen Umweltfaktoren, wie Temperaturschwankungen und wechselnden Konzentrationen des Salz- und Sauerstoffgehaltes. Der Salzgehalt ist abhängig vom Wetter. Bei Regen wird das Meerwasser durch Süßwasser verdünnt und der Salzgehalt in Bodennähe nimmt ab. Bei starker Sonneneinstrahlung verdunstet das Meerwasser und der Salzgehalt nimmt im Flachwasser zu. An diesen Sonnentagen heizt sich außerdem die Temperatur am Wattboden auf. Im Boden sind die Umweltfaktoren stabil und die Tiere profitieren hier von den gleichbleibenden Verhältnissen.

Typischer Vertreter für ein Lebewesen im Wattboden ist der Wattwurm (Arenicola marina). Seine Sandhäufchen sind überall bei Wattwanderungen gut zu sehen. Weitere nicht so bekannte Bodenbewohner im Watt sind der Pfahlwurm (Scoloplos armiger), der Bäumchenröhrenwurm (Lanice conchilega) und der Opalwurm (Nephtys hombergi). Auch Muscheln wie die Herzmuschel (Cerastoderma edule), Sandklaffmuschel (Mya arenaria) und die Miesmuschel (Mytilus edilus), auch Pfahlmuschel genannt, graben sich zum Schutz in den Boden ein.

Der Wattwurm

Wattwurm
Der Wattwurm (Arenicola marina). ©Alexander Stahr

Der Wattwurm gehört zu den Borstenwürmern (Polychaeten). Er lebt im unteren Teil einer U-förmigen ca. 20 cm tiefen Wohnröhre. Die Tunnelwände der Röhre werden durch ein Sekret stabilisiert. Die Wände des grauen, sauerstoffarmen Wattbodens in der Röhre sind durch den Sauerstoffgehalt im Wasser häufig oxidiert und damit zusätzlich verdichtet, was zusätzlich zur Stabilität beiträgt.

Kothaufen des Wattwurms
Die typischen Ausscheidungen (Kothaufen) des Wattwurms (Arenicola marina) an der Oberfläche des Watts. ©Alexander Stahr

Durch den Einsaugtrichter saugt der Wurm Boden ein, den er frisst. Verdaut werden die im Boden enthaltenden Kieselalgen, Phytoplankton und Bakterien. Der Rest wird wieder ausgeschieden. Dazu kriecht der Wurm alle 45 Minuten rückwärts bis kurz unter die Oberfläche und scheidet die unverdaulichen Bodenbestandteile wieder als Kothaufen aus. Diese Kothaufen finden sich überall im Watt und sind daher das Zeichen für die Aktivitäten der Wattwürmer. Oft werden Wattwürmer bei diesem Vorgang von Fressfeinden erwischt, die dann das hintere Ende des Wurms fassen. Wattwürmer können daher leicht die kleineren, hinteren Segmente nachbauen und so ersetzen. In den mittleren Segmenten des Wurms befinden sich die Kiemen. Sie sind als rötliche Büschel gut äußerlich sichtbar. Durch eine gegenläufige Wasserströmung von hinten nach vorn kann der Wurm Sauerstoff über die Kiemen aufnehmen. Bei Ebbe ist das Strömen von sauerstoffreichem Wasser jedoch eher begrenzt. Dennoch ist der Wattwurm bestens daran angepasst. Er besitzt, was für Wirbellose eher selten ist, den roten Blutfarbstoff Hämoglobin. Hämoglobin ist in der Lage Sauerstoff zu speichern. Im Watt kann der Wattwurm in einer Bestandsdichte von 20 bis 50 Tieren pro Quadratmeter vorkommen, die bis zu einer halben Tonne Boden im Jahr durchmischen und mit Sauerstoff anreichern.

Im Herbst laichen die Weibchen. Die Männchen geben das Sperma ab, das in die Kotröhre der Weibchen gelangt und hier die Eier befruchtet. Nach ca. drei Wochen verlassen die ein Millimeter großen Larven die Mutterröhre. Sie heften sich an Steine oder Muscheln und überwintern geschützt durch eine Schleimhülle. Im nächsten Frühjahr lassen sie sich ins Schlickwatt treiben. Hier haben sie weniger Fressfeinde. Im darauffolgenden Herbst, wenn sie zwei bis sechs Zentimeter lang sind, suchen sie wieder aktiv die ursprünglichen Siedlungsflächen der Eltern auf.

Tiere im Watt
Tiere im Watt (schematisch). ©Alexander Stahr

Die Sandklaffmuschel

Zu den häufigsten Muscheln im Watt gehört die bis zu 15 Zentimeter groß werdende Sandklaffmuschel. Sie lebt bis zu einer Tiefe von 30 Zentimetern eingegraben im Boden. Das ist oft viermal so lang wie die Schalengröße. Die Muschel ist sehr standorttreu, einmal eingegraben verändert sie ihren Standort nicht mehr. Das Hinterende der Muschel zeigt dabei nach oben. Durch einen klaffenden Spalt daran schiebt die Muschel ein röhrenartiges Organ, das bis zur Bodenoberfläche reicht. Dieses Organ wird Sipho genannt. Der Sipho besitzt zwei Kanäle. In den einen Kanal strömt frisches sauerstoffhaltiges Wasser mit Nahrungspartikeln bis in den Mantelraum und zu den Kiemen der Muschel. Der andere Kanal ist für das ausströmende Wasser. Wird die Muschel gestört, so zieht sie den Sipho ruckartig zurück. Dabei wird ein kräftiger Wasserstrahl ausgestoßen. Das ausgespritzte Wasser sorgt dafür, dass der Sand über dem Kanal zusammenfällt und die Röhre verschließt.

Sandklaffmuscheln vermehren sich im Frühjahr. Eier und Spermien werden durch ein noch unbekanntes Signal zur gleichen Zeit ins Wasser abgegeben und hier befruchtet. Aus dem befruchteten Ei schlüpft eine Schwimmlarve, die zwei bis vier Wochen im Meer treibt bevor sie auf den Boden sinkt und sich eingräbt. Die Muschel besitzt zum Graben extra einen Grabfuß, der sich mit dem Alter zurückbildet.

Die Herzmuschel

Herzmuschel
Die Herzmuschel (Cerastoderma edule). ©Alexander Stahr

Der Name der Herzmuschel kommt daher, dass ihre Form an ein Herz erinnert, wenn man sie seitlich betrachtet. Im Wattenmeer findet man Exemplare von ein bis drei Zentimeter Größe. Rippen geben der gewölbten Schale Stabilität und damit eine hohe Festigkeit. Unter günstigen Bedingungen leben viele hundert Tiere auf engem Raum. Beim Wattwandern sind die Muscheln aufgrund ihrer hohen Festigkeit wie Erbsen deutlich unter den Füßen spürbar.

Der Fuß der Muschel ist leicht abgeknickt. Dadurch ist die Muschel in der Lage, auf dem Sediment sich springend fortzubewegen. Herzmuscheln bevorzugen Schlick- und Sandböden im Gezeitenbereich. Ihr Siphon ist nur kurz, so dass sie nur flach im Sediment eingaben können. Sie ernähren sich hauptsächlich von Plankton und Detritus (zerfallende organische Substanzen). Die Vermehrung der Herzmuschel ist im Mai. Eier und Spermien werden zugleich ins Meerwasser abgegeben und dort befruchtet. Drei bis fünf Wochen schwimmen die Larven im Meer bevor sie zu Boden sinken. Herzmuscheln können bis zu neun Jahre alt werden. Fast alle Herzmuschelarten sind essbar und werden daher zu diesem Zweck intensiv gesammelt.

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