Ah-Horizont
Im Oberboden (Ah-Horizont) sorgen Huminstoffe u. a. für die dunkle Färbung. ©Alexander Stahr

Im Verlauf der Bodenentwicklung kommt es durch Verwitterung und die Arbeit der Bodenorganismen (Streuabbau) zur Bildung von neuen Stoffen: Anorganische Tonminerale, Oxide, Hydroxide, Oxidhydroxide und organische Huminstoffe (= Dauerhumus, da nur sehr langsam abbaubar), die Teil des Humus sind. Unter den organischen Fraktionen des Humus (= postmortale organische Substanz) kommt den Huminstoffen aufgrund ihres Mengenanteils und ihrer hohen Reaktivität eine überaus bedeutende Rolle zu. Dabei handelt es sich um amorphe Makromoleküle <2 µm (Mikrometer = ein Millionstel eines Meters), auch als organische Bodenkolloide bezeichnet, ohne reproduzierbare chemische Struktur. D. h. es gibt für Huminstoffe keine einheitliche Strukturformel wie bei anderen organischen Molekülen (z. B. Benzol oder Weinsäure). Huminstoffe lassen z. B. den Oberboden (Ah-Horizont) dunkelbraun bis schwarz erscheinen, wodurch sie sich positiv auf den Wärmehaushalt des Bodens auswirken, und können Ionen und Wassermoleküle reversibel anlagern. Ihr Adsorptions- und Wasserhaltevermögen übersteigt dasjenige von Tonmineralen deutlich. Mit diesen können sie sehr stabile Verbindungen eingehen (= Ton-Humus- oder organomineralische Komplexe), wodurch sie insbesondere dem Oberboden eine hohe Gefügestabilität verleihen.

Huminstoffe werden konventionell insbesondere nach ihrem Polymerisationsgrad [unter Polymerisation versteht man die Überführung von niedermolekularen chemischen Verbindungen (= Monomere) zu hochmolekularen Verbindungen (Polymere)], nach ihrer Farbe und nach ihrer Löslichkeit in unterschiedlichen Lösungsmitteln unterschieden in: Fulvosäuren, Huminsäuren und Humine, wobei fließende Übergänge bestehen. Huminstoffe entstehen durch den Prozess der Humifizierung, dessen Mechanismen jedoch nicht voll und ganz geklärt sind.

Huminsäure
Beispiel für die Struktur einer Huminsäure. Gemeinfrei

Humifizierung

Im Verlauf des Streuabbaus durch Bodentiere, Pilze und Mikroorganismen werden neben mehreren Abbauphasen bis hin zur vollständigen Mineralisierung zugleich hoch- und höhermolekulare Bestandteile der abgestorbenen Pflanzenteile auch zu reaktionsfähigem bzw. humifizierbarem Material umgewandelt bzw. abgebaut (metabolische Phase). So werden etwa Kohlenhydrate (Polysaccharide = Stärke) in die sie aufbauenden Monosaccharide (Einfachzucker) gespalten, aus Zellwandbestandteilen werden beispielsweise Phenole freigesetzt. Diese organischen Substanzen können in der Folge direkt oder in Zwischenstufen zu Huminstoffen polymerisieren (= Stoffneubildung aus Spaltprodukten). Der Prozess der Humifizierung kann auch durch die Synthese von Pflanzenbestandteilen erfolgen, die schon eine gewisse Grundstruktur der Huminstoffe aufweisen. So etwa Lignin (Holzbestandteil) oder verschiedene Gerb- und Farbstoffe wie Anthocyan, dem roten Pflanzenfarbstoff der Brombeere, Erdbeere, Blutbuche und unzähliger anderer Pflanzen. Beide Prozesse – Stoffneubildung aus Spaltprodukten und Synthese aus vorhandenen Strukturen beruhen auf chemischen Reaktionen im Boden. Davon unterscheiden manche Wissenschaftler die biologische Bildung von Huminstoffen, die sich im Verdauungstrakt von Bodentieren (z. B. Regenwürmer) durch Stoffwechselvorgänge vollzieht (wenngleich diese im Grunde genommen ebenso biochemisch abläuft). Die rein chemische Entstehung von Huminstoffen erfolgt vor allem in sauren, nährstoffarmen Böden mit besonders geringer mikrobieller Aktivität (Podsole, Moore). Die biologische Entstehung von Huminstoffen vollzieht sich in schwach sauren bis neutralen Böden mit hoher biologischer Aktivität (z. B. bei Anwesenheit von Regenwürmern), etwa bei basenreichen Braunerden oder Parabraunerden.

Bausteine der Huminstoffe

Huminstoffe bestehen biochemisch prinzipiell aus drei „Bausteinen“: Aus Kernen, Brücken und Seitengruppen.
Kerne können sein: Benzol, Furan oder beispielsweise Pyridin
Brücken: -O-, -NH-, -CH2
Seitengruppen: -COOH (Carboxyl-), -OH (Hydroxyl-) oder NH2 (Amino-Gruppe)

Beispiele für Huminstoffgehalte in Böden (in Prozent)

Landwirtschaftlich genutzte Böden (Acker) 1–2
Schwarzerden (Tschernoseme)  2–7
Wiesenböden 10
Moore 10–20

Eigenschaften der Huminstoffe

Fulvosäuren Huminsäuren Humine
Polymerisationsgrad niedrig hoch hoch
Farbe gelblich- bis rötlichbraun braun bis schwarz schwarz
Kohlenstoffgehalt % 45 45-60 >60
Stickstoffgehalt % 0,5-2 4-8 variabel
Säurestärke hoch mittel sehr gering
Wasserhalte- und Adsorbtionsvermögen gering hoch gering
Mobilität im Boden hoch mittel gering
Entstehung chemisch chemisch/biotisch chemisch/biotisch
Vorkommen in sauren, nährstoffarmen Böden mit geringer biotischer Aktivität (z. B. Podsole, oligotrophe Braunerden) in schwach sauren bis neutralen Böden mit hoher biologischer Aktivität (z. B. mesotrophe Braunerden, Parabraunerden) in allen Böden