Kathrin Rößler und Dr. Robert Wagner
Kathrin Rößler und Dr. Robert Wagner. ©privat

In den feuchten Tropen Südamerikas ist lokal ein Jahrtausende alter anthropogener Boden anzutreffen, der sich von den umgebenden, nährstoffarmen Böden durch einen mächtigen, humosen und nährstoffreichen Oberboden unterscheidet. Die dunkle Färbung des tiefgründigen Oberbodens gab dem Boden den portugiesischen Namen „Terra Preta“, was „Schwarze Erde“ bedeutet. Terra Preta, Terra preta do indio oder Indianer-Schwarzerde Amazoniens ist ein Bodentyp, dessen mächtiger Oberboden aus einem Gemisch von Holzkohle (Pflanzenkohle), Speiseresten, Fäkalien, Kompost, Küchenabfällen, Tonscherben, Knochen und sonstigem organischen Material besteht.

In Berlin gibt es seit 2010 ein Projekt mit der Bezeichnung „Schließung von Kreisläufen durch Energie- und Stoffstrommanagement bei Nutzung der Terra-Preta-Technologie im Botanischen Garten im Hinblick auf Ressourceneffizienz und Klimaschutz – Modellprojekt Urban farming“. Ziel des Projektes (kurz „TerraBoGa“ genannt, BoGa = Botanischer Garten), das in Kooperation zwischen der Arbeitsgruppe Geoökologie des Institutes für Geographische Wissenschaften der Freien Universität Berlin und dem Botanischen Garten Berlin-Dahlem (BGBM) sowie den Firmen Palaterra GmbH & Co KG und HATI GmbH durchgeführt wird, ist es, im Botanischen Garten anfallende organische Abfälle wieder dem Stoffkreislauf in Form eines Biokohlesubstrates zuzuführen. Ahabc.de befragte dazu zwei wissenschaftliche Mitarbeiter des Institutes für Geographische Wissenschaften der Freien Universität Berlin, Dr. Robert Wagner (Projektkoordinator) und Dipl.-Geographin Kathrin Rößler. Das Projekt „TerraBoGa“ gehört zu ihrem Aufgabenbereich.

Wie kam es zur Idee, das Projekt „TerraBoGa“ ins Leben zu rufen?

Wagner/Rößler: Die Idee entstand, da der Botanische Garten Berlin-Dahlem viele seiner eigenen pflanzlichen Reststoffe entsorgte und Komposte einkaufte. Wir wollten untersuchen, ob eine effektive Verwertung der anfallenden Pflanzenreste mit Hilfe der oft als TerraPreta-Technologie bezeichneten Herstellung und Anwendung von Biokohle und Biokohlesubstraten und damit eine Schließung von Kreisläufen im Botanischen Garten möglich sind.

Im Botanischen Garten werden organische Abfälle zu einem Biokohlesubstrat ähnlich der Terra Preta verarbeitet. Was sind die Hauptschritte und worin unterscheidet sich dieses Substrat von „normalem“ Kompost?

Wagner/Rößler: Als erster Schritt wird gehäckselter Astschnitt und Stammholz in einer Karbonisierungsanlage zu Biokohle umgewandelt. Die hergestellte Biokohle kommt dann als Zuschlagstoff (Biokohleanteil von ca. 10 – 15-Vol.%) in die Kompostierung mit geschredderten pflanzlichen Reststoffen, wie z.B. Laub, Baum-, Grün- und Rasenschnitt. Die Biokohle ist ein Material, das aus stabilem Kohlenstoff besteht und daher kaum mineralisiert wird. Die bisherigen Ergebnisse zeigen, dass die Zugabe von Biokohle eine Verbesserung des Kompostierprozesses (z. B. Feuchte, Geruch, Substratstruktur, Feuchtrohdichte) bewirkt.

Zur Herstellung von Ihrem Biokohlesubstrat sollen laut Projektbeschreibung (TerraBoGa) auch Fäkalien und Urin aus den Sanitäranlagen verwendet werden. Besteht dann bei der Verwendung des fertigen Substrates nicht die Gefahr, dass ausgeschiedene Reste von Medikamenten (Antibabypille, Antibiotika etc.) in den Boden und somit in den natürlichen Stoffkreislauf gelangen?

Wagner/Rößler: Zur Herstellung der Biokohlesubstrate, die auch bereits im Botanischen Garten verwendet werden, werden keine Fäkalien und kein Urin eingesetzt. Die Verwertung von Fäkalien und Urin wird unter besonderen Arbeitsschutzbedingungen erst einmal näher untersucht. Bei uns wird ausschließlich nur Männerurin verwendet, so dass eine hormonelle Belastung ausgeschlossen werden kann. Weiterhin konnte nachgewiesen werden, dass das verwendete Fäkalmaterial mittels Fermentation und Kompostierung und einer anschließenden Wurmvererdung ausreichend hygienisiert wird und das vererdete Substrat als hygienisch unbedenklich eingeschätzt werden kann. Das Problem hinsichtlich Medikamentenrückstände ist im Bodenbereich nicht so problematisch wie z. B. im Vergleich zu Gewässern (Stichwort Aufbereitung in Kläranlagen). Im Boden werden diese Rückstände teilweise sorbiert und abgebaut. Dazu haben wir jedoch selbst keine Untersuchungen durchgeführt.

Wurde das Projektziel der effektiven Verwertung von Rest- und Abfallstoffen im Botanischen Garten unter dem Aspekt der Vermeidung von Kohlenstoff- und Nährstoffverlusten schon erreicht? Wie sieht es mit der CO2– und Nährstoffbilanz aus?

Wagner/Rößler: Die Karbonisierung stellt eine vielversprechende neue Technologie dar, die einen Beitrag zur Kohlenstoffsequestrierung bei gleichzeitiger Wärmenutzung leistet. Neben der stofflichen Verwertung der Biokohle lassen sich durch die gleichzeitige Wärmeentstehung bei der Biokohleherstellung fossile Brennstoffe substituieren, Treibhausgasemissionen vermindern und letztlich die Wertschöpfung von pflanzlichen Reststoffen steigern. Des Weiteren konnte durch die Optimierung der offenen Mietenkompostierung ein qualitativ hochwertiger Biokohlekompost hergestellt werden, der den Zukauf von externem Kompost und Torf überflüssig macht bzw. verringert und so externe Emissionen aus Herstellung und Transport vermeidet und Ökosystme erhält (Stichwort Torfabbau). Die Auswaschung von Nährstoffen (Nitrat, Phosphor und Kalium) werden durch Biokohle ebenfalls signifikant verringert.

Auch Hobbygärtner und Landwirte versuchen, Terra Preta ähnliche Substrate herzustellen. Dazu verwenden sie Medienberichten zufolge so genannte „Effektive Mikroorganismen“ (EM). Bei einigen wissenschaftlichen Untersuchungen zu diesen EM konnten jedoch keine positiven Wirkungen festgestellt werden. Werden diese EM auch beim Biokohlesubstrat verwendet? Falls ja, wie ist die Wirkung?

Wagner/Rößler: Zu Beginn des Projektes wurden zwei unterschiedliche Prozesse für die Verwertung der anfallenden organischen Reststoffe untersucht (Fermentation und Kompostierung). Effektive Mikroorganismen haben wir bei der Fermentation verwendet. Eine besondere positive Wirkung konnten wir allerdings in Pflanzentests nicht feststellen.

In welcher Form wird Biokohlesubstrat oder –kompost angewendet? Sozusagen pur als Pflanzsubstrat z. B. in Beeten oder in einem bestimmten Mischungsverhältnis mit mineralischem Substrat?

Wagner/Rößler: Die Anwendungsmöglichkeiten des hergestellten Biokohlekompostes wurden durch zahlreiche unterschiedliche Pflanzversuche untersucht. Zum einen wurden aus dem Biokohlekompost durch Zumischen verschiedener Zuschlagstoffe wie z. B. Lavagrus, Sand, Perlite entsprechende Pflanzsubstrate hergestellt, die in langfristigen Topfversuchen hinsichtlich pflanzenbaulicher Wirkung getestet wurden. Zum anderen wurde der Biokohlekompost pur oder gemischt mit Erde im Freiland, in Beeten und Hochbeeten eingesetzt.

Wird Ihr Substrat auch außerhalb des Botanischen Gartens eingesetzt und können auch Privatpersonen das Biokohlesubstrat erwerben?

Wagner/Rößler: Der hergestellte Biokohlekompost wurde bereits mehrfach bei öffentlichen Pflanzaktionen im Bezirk Steglitz-Zehlendorf eingesetzt. Darüber hinaus wird die selbst produzierte Kohle in weiteren Forschungsprojekten außerhalb des Botanischen Gartens genutzt. Es besteht aber die Möglichkeit auf dem zweimal im Jahr stattfindenden Staudenmarkt im Botanischen Garten an unserem TerraBoGa-Stand, Biokohlekompostproben sowie Biokohle zu erhalten.

Ahabc.de dankt Herrn Dr. Wagner und Frau Dipl.-Geogr. Rößler für die informativen Antworten und wünscht beiden weiterhin viel Erfolg mit dem Projekt „TerraBoGa“.

Kontakt:
rowagner(at)zedat.fu-berlin.de
kathrin.roessler(at)fu-berlin.de

TerraBoGa (11260UEPII/2) ist ein von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt (SenStadtum) des Landes Berlin co-finanziertes Forschungsprojekt im Rahmen des Umweltentlastungsprogramms II (UEP II). Das Projekt wird zudem aus Mitteln des Europäischen Fond für Regionale Entwicklung (EFRE) – Investition in Ihre Zukunft – gefördert.