Prof. Dr. Heinz Veit vom Geografischen Institut der Universität Bern. ©privat
Prof. Dr. Heinz Veit vom Geographischen Institut der Universität Bern. ©privat

Das Thema Klimawandel grassiert in allen Medien. Gerade im Hochgebirge hat der Klimawandel, ob anthropogen mitverursacht oder rein natürlich bedingt, auch Auswirkungen auf die Böden. Welche dies sind und in welchem Ausmaß sie auftreten können, fragte ahabc.de Prof. Dr. Heinz Veit vom Geographischen Institut der Universität Bern, dessen Forschungsschwerpunkte im Bereich der Geomorphologie, Bodenkunde und Paläoökologie liegen.

Gibt es im Hochgebirge bereits Anzeichen von Auswirkungen der Klimaerwärmung auf den Boden, insbesondere im Bereich des Permafrostes?

Prof. Dr. Veit:
Die Auswirkungen der Klimaerwärmung der letzten Jahrzehnte auf die Böden in den Hochlagen der Alpen sind vielfältig. Im Zusammenhang mit dem Permafrost sind vor allem zwei Prozesse festzustellen: Erstens steigt die Permafrost-Untergrenze an, das heißt an der Untergrenze seiner Verbreitung verschwindet der Permafrost zunehmend. Und zweitens nimmt in höheren Lagen die Mächtigkeit der sommerlichen Auftauschicht zu. Vielerorts taut im Sommer oberflächlich soviel auf (mehrere Meter), dass dieser Bereich im Winter nicht mehr durchfrieren kann. Mehr und mehr Flächen der Hochlagen werden dadurch von inaktivem beziehungsweise fossilem Permafrost eingenommen, der sich nur noch im tieferen Untergrund hält.

Welche Naturgefahren könnten davon ausgehen?

Prof. Dr. Veit:
Das Austauen des Permafrostes bedingt an vielen Stellen eine Instabilisierung der Hänge. Solange die Schutthalden oder steilen Felswände durchgehend gefroren sind, haben sie eine gewisse Stabilität. Taut der Permafrost ab, nehmen Steinschlag, Rutschungen, Bergstürze, aber auch Muren zu. Diese Zunahme lässt sich in den letzten Jahrzehnten deutlich feststellen. Sie führt zu Schäden an Verkehrswegen (Strassen, Bahnlinien, Seilbahnen) und Gebäuden in Millionenhöhe.

Führt ein Anstieg der Kohlenstoffdioxid-Konzentration in der Atmosphäre zu einem Düngeeffekt und somit zu einer Veränderung der alpinen Vegetation und der Bodenentwicklung?

Prof. Dr. Veit:
Die alpinen Rasengesellschaften sind an die rauen Verhältnisse in der Höhe gut angepasst. Sie „leiden“ nicht unter CO2-Mangel. Demzufolge ist auch kein wesentlicher Düngereffekt durch gesteigerte CO2-Gaben zu erwarten. Viel bedeutsamer für die alpine Vegetation sind die Temperaturerhöhung, Veränderungen der Schneedeckenverteilung und –dauer, sowie anthropogene Düngungseffekte aus Industrie und Landwirtschaft (zum Beispiel Stickstoff).

In den Alpen weisen Bodenbildungen in der heutigen Permafrostzone auf wärmere Klimate in der Vergangenheit hin. Ist die aktuelle Klimaerwärmung somit noch im natürlichen Bereich?

Prof. Dr. Veit:
Die Erwärmung als solche liegt durchaus noch in einem Bereich, der in den vergangenen Jahrtausenden immer wieder mal erreicht wurde. Dafür sprechen die erwähnten Bodenbildungen in der heutigen Permafrostzone ebenso wie zum Beispiel die Gletscher, die heute zwar stark abschmelzen, zur Römerzeit oder Bronzezeit aber nachweislich deutlich kleiner waren als heute. Allerdings bewegen wir uns heute im oberen Schwankungsbereich der letzten Jahrtausende und drohen erstmals darüber hinaus zu stoßen. Vor allem die Geschwindigkeit der momentan ablaufenden Veränderungen gibt Grund zur Sorge.

Was gefährdet Böden im Alpenraum am stärksten: Tourismus, Aufgabe traditioneller Wirtschaftsformen, Bauboom, Klimaerwärmung oder der Eintrag von Umweltchemikalien?

Prof. Dr. Veit:
Wenn man von „Gefährdung“ spricht, dann würde ich Tourismus und Umweltchemikalien an erster Stelle sehen. Tourismus, von der Planierung der Skipisten über den damit zusammenhängenden Bauboom oder auch die sommerlichen Aktivitäten, führen lokal zu sehr starker Beanspruchung beziehungsweise dem völligen Verlust der Böden. Die Umweltchemikalien werden auch aus relativ weit entfernten Industriegebieten relativ flächendeckend bis in die Hochlagen der Alpen transportiert. Die Klimaerwärmung oder die Aufgabe traditioneller Wirtschaftsformen führen zwar mittel- und langfristig zu einer Änderung in der Dynamik der Bodenentwicklung, aber da würde ich nicht von Gefährdung sprechen.

Was ist der wesentliche Unterschied zwischen Hochgebirgsböden und den Böden der Mittelgebirge und des Flachlandes hinsichtlich des menschlichen Einflusses?

Prof. Dr. Veit:
Hochgebirgsböden brauchen viel längere Zeiträume um sich zu entwickeln als im Mittelgebirge oder Flachland. Der bodenbildende Faktor „Klima“ führt hier dazu, dass die Prozesse der chemischen Verwitterung stark verlangsamt sind. Dadurch sind auch in der Regel die Sandgehalte der Gebirgsböden höher. Verbunden mit dem Humusschwund durch die menschliche Nutzung, dem Sandgehalt und dem meist steilen Relief, sind die Hochgebirgsböden dadurch meist anfälliger gegenüber der Bodenerosion und die Konsequenzen für die Bodenzerstörung sind gravierender im Vergleich zum Flachland.

Und eine letzte Frage: Betreibt man Bodenkunde im Hochgebirge anders als im Flachland?

Prof. Dr. Veit:
Nein. Im Prinzip sind die Methoden gleich. Nur muss reliefbedingt der Bagger für Grabungen im Gebirge häufig durch Spaten und Muskelkraft ersetzt werden. Dafür ist die Saison, in der man bodenkundlich in den Hochlagen arbeiten kann aber deutlich kürzer als im Flachland und – je nach Höhenlage – auf die zwei bis drei Monate schnee- und frostfreie Periode beschränkt.

Die Redaktion von ahabc.de dankt Prof. Dr. Heinz Veit für das Interview und wünscht ihm auch weiterhin viel Erfolg bei seiner Forschungsarbeit und Lehrtätigkeit.