Dr. Klaus Friedrich (Bildmitte links mit Klappspaten)
Dr. Klaus Friedrich (Bildmitte links mit Klappspaten) vom Hessischen Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie (HLNUG) während der Leitung einer Exkursion zum Thema Weinbau und Boden bei Hochheim am Main im Jahr 2015. ©Alexander Stahr

Das Jahr 2015 wurde von den Vereinten Nationen (United Nations) zum Internationalen Jahr des Bodens bestimmt. Denn der weltweite Schutz der Böden ist lebenswichtig für Mensch, Tier und Pflanze. Zu diesem Anlass gab es in vielen Ländern zahlreiche Veranstaltungen, Aktionen, Exkursionen, Vorträge, Wettbewerbe und Ausstellungen. Doch was hat das Internationale Jahr des Bodens rückschauend für die bedeutende Ressource Boden hierzulande und anderswo bewirkt? Dazu befragte ahabc.de den Bodenkundler und stellvertretenden Leiter der Abteilung Geologie und Boden des Hessischen Landesamtes für Naturschutz, Umwelt und Geologie (HLNUG) Herrn Dr. Klaus Friedrich.

Das Internationale Jahr des Bodens 2015 ist nun schon mehr als zwei Monate Vergangenheit. Gibt es aus bodenkundlicher Sicht ein positives Résumé? Was wurde durch das Internationale Jahr des Bodens in Deutschland und vielleicht auch weltweit bewirkt?

Dr. Friedrich: Wir sind als Gesellschaft dem „Boden“ etwas entrückt. Das Internationale Jahr des Bodens diente vor allem dazu, das Bewusstsein zu stärken, um mittel bis langfristig das Handeln in der Politik und bei jedem einzelnen Bürger in eine Richtung zu lenken, die diesem wichtigen Umweltmedium gerecht wird. Erwartungsgemäß haben die vielen weltweiten Aktivitäten im Jahr 2015 meist kein unmittelbares Handeln ausgelöst. An vielen Stellen spüren wir aber eine gesteigerte Wahrnehmung des Schutzgutes Boden. Viele Akteure kommen jetzt erst mit ihren Fragen auf uns zu und arbeiten Aspekte des Bodenschutzes in ihr Handeln ein.

Boden ist für Landwirte, Winzer, Gartenbaubetriebe und viele andere Gewerbetreibende hierzulande eine essentielle Produktionsgrundlage, die aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten optimal genutzt oder ausgenutzt werden muss. Dazu gehört auch der Einsatz von Stickstoffdüngern, die das Grundwasser belasten können oder etwa die Verwendung von umweltgefährdenden Herbiziden. Hat das Internationale Jahr des Bodens 2015 hierbei etwas zum Umweltschutz beigetragen?

Dr. Friedrich: Düngung und Herbizideinsatz sind komplexe Aufgaben für jeden Bodenbewirtschafter. Insbesondere beim Nitrataustrag und damit der Belastung des Grundwassers ist noch immer viel Luft nach Oben. Grundsätzlich besteht in diesem Berufsfeld eine klare Wahrnehmung für die Probleme. Ein Großteil der Bewirtschafter handelt hier unter wirtschaftlichen Aspekten. Ggf. reicht eine Bewusstseinsbildung nicht aus und es Bedarf weiterführender Rahmenbedingungen für alle, wenn wir als Gesellschaft dem Umweltschutz einen stärkeren Stellenwert einräumen wollen.

Schwere Fahrzeuge wie Vollernter (Harvester) und Rückemaschinen gehören zur technischen Ausstattung moderner Waldnutzung. Deren Einsatz bei feuchter Witterung führt oft zu nachhaltig schweren Schäden am Waldboden. Dazu zählen Bodenverdichtungen oder die völlige Homogenisierung der Bodenstruktur. Hat das Internationale Jahr des Bodens 2015 in diesem Fall eine Besserung bewirkt? Und falls nicht, was wäre hierbei in Angriff zu nehmen?

Dr. Friedrich: Das Thema Bodenverdichtung beschäftigt uns schon seit Jahren sehr stark. Es gehörte zu den TOP 4 – Themen des internationalen Jahres des Bodens in Hessen. Die Bodenverdichtung macht dabei nicht beim Vollerntemaschineneinsatz im Wald halt. Wir haben auch Verdichtungsprobleme in der Landwirtschaft und im Weinbau. Es braucht aber auch sehr viel mehr Bewusstsein für den Boden auf jeder Baustelle. Der Boden wird nicht nur großflächig versiegelt, es werden die immensen Verdichtungsprobleme auf den Nebenflächen bei den Baustellen überhaupt nicht wahrgenommen. Wissen und Infomaterial gibt es sehr viel – hier brauchen wir noch zündende Ideen zur Wissensvermittlung für einen schonenden Umgang mit dem Boden.

Naturthemen sind in Form von Aktionstagen und Themenwochen an Schulen sowie bei Ferienbetreuungen heutzutage beliebt. Ist da auch der Boden ein Thema? Gab es zum Internationalen Jahr des Bodens 2015 auch diesbezüglich Aktivitäten von Seiten der Behörden?

Dr. Friedrich: Wir haben zahlreiche Aktionen im letzten Jahr durchgeführt. Das Thema Boden und Bodenschutz lässt sich sehr gut im Gelände transportieren. Schließlich gibt es Böden fast überall und damit natürlich auch Probleme hinsichtlich eines schonenden Umgangs mit diesem Schutzgut. Unsere Aktionen reichten von der Fahrradexkursion „dem Boden auf der Spur“ in Südhessen bis zur Exkursion zur Thematik Bodenbearbeitung in Nordhessen. Auch eine Exkursion im Rahmen eines Erntedankgottesdienstes war dabei – der Umgang mit Boden ist auch ein ethisches Thema! Wir wollen in Zukunft vor allem Aktivitäten Dritter aus Land- und Forstwirtschaft, Naturschutz, Kommunen u. a. mit den Bodenschutzthemen unterstützen. Durch die geweckte Aufmerksamkeit im Jahr des Bodens kommen jetzt unterschiedliche Träger auf uns zu. Das gab es bisher kaum und ist daher sicher eine erfolgreiche Bilanz der Bewusstseinsbildung im letzten Jahr.

Boden ist in den Medien – abgesehen von den Berichterstattungen zum Internationalen Jahr des Bodens 2015 – recht selten vertreten. Warum ist das so und wie könnte man dies ändern? Bleibt der Boden nach 2015 doch nur der Dreck an den Schuhen?

Dr. Friedrich: Boden bleibt auch weiterhin der Dreck am Schuh. Wir haben aber schon viel erreicht, wenn dieser Dreck mit etwas anderen Augen betrachtet wird. Im Gegensatz zu Luft und Wasser ist Boden zunächst einmal nicht unmittelbar essenziell für uns. Der Boden hat aber ein gutes Langzeitgedächtnis. Ist er einmal belastet (stofflich, physikalisch) so ist er nur mit ungeheuren Aufwendungen in seinen Funktionen wieder herzustellen. Wir sind ihm entrückt und nur relativ wenige Bürger haben unmittelbar Kontakt mit dem Boden. Wir sehen nur die Oberfläche und es fehlt uns die Wahrnehmung für die komplexen Vorgänge und die vielfältigen Ökodienstleistungen, die uns der Boden vollbringt. In der Gesellschaft haben viel mehr Menschen mit „Bodenwerten“ zu tun, wenn er seine natürlichen Funktionen verloren hat.

Welche Maßnahmen wären nach Ihrer Meinung Wirksam, um das Bodenbewusstsein in der Öffentlichkeit noch stärker zu verankern?

Dr. Friedrich: In diesem Jahr ist im Umweltressort ein Programm angelaufen, um Kommunen und Planer für den Bodenschutz zu sensibilisieren. Dies sind Schlüsselbereiche, insbesondere für die Flächeninanspruchnahme und den schonenden Umgang mit dem Boden. Es fehlt derzeit vor allem im allgemeinen Bildungsbereich an Aktivitäten. In den Schulen ist die Umweltbildung tendenziell zurückgefahren worden. Es fehlen Schulungsdisziplinen in allen Fachgebieten an den Hochschulen, die mit Einwirkungen auf den Boden zu tun haben. Land- und Forstwirte, Landschaftsplaner, Bauingenieure u. a. werden im Studium kaum oder gar nicht über die Einwirkungen und Schäden auf das Schutzgut Boden geschult. Darüber hinaus braucht es weiterhin Aufklärung für den Bürger, denn fast jeder kann was für den Boden tun. Wenn wir unsere Wohnungswände streichen kleben wir selbstverständlich den Boden ab. Dies tun die meisten von uns nicht, wenn im Außenbereich gestrichen wird, es sei denn hier ist ein befestigter Weg o. a. zu schützen. Dies zeigt schon, dass es hier noch Wertvermittlung für den Boden braucht.

Ahabc.de dankt Herrn Dr. Klaus Friedrich für die interessanten und informativen Antworten und wünscht ihm weiterhin viel Erfolg bei seiner Arbeit.