Ralf Bördner
Forstamtsleiter Ralf Bördner an einer Rückegasse. ©Hessen-Forst

Böden bewirtschafteter und insbesondere nicht bewirtschafteter Wälder unterscheiden sich in Mitteleuropa heute deutlich von Böden anderer Landnutzungsformen (z. B. Ackerbau, Weinbau). Etwa durch die geringe Erosionsgefährdung. Infolge der sehr langen Phase der Holzproduktion in bewirtschafteten Wäldern kann sich der Waldboden auch dort weitgehend natürlich entwickeln. Dies hat u. a. zur Folge, dass man Grundwasser aus bewaldeten Einzugsgebieten ohne aufwändige Aufbereitung als Trinkwasser nutzen kann. Doch die Art und Weise der Waldbodenbewirtschaftung kann auch zu Umweltproblemen führen. Dazu befragte ahabc.de Ralf Bördner. Er ist Leiter des hessischen Forstamtes Wiesbaden-Chausseehaus.

Die Holzernte erfolgt heute mit schweren Maschinen. Darunter Holzvollernter (Harvester) und Tragrückeschlepper (Forwarder). Wie kann man bei deren Einsatz eine Bodenverdichtung oder die homogenisierung des Bodengefüges vermeiden oder zumindest einschränken? Denn auch nach Jahren ist kaum eine Regeneration der Böden durch Waldarbeiten mit Maschineneinsatz nach verschiedenen Forschungsarbeiten nachweisbar. Optimal wäre bei der Holzernte sicherlich tiefgreifender Bodenfrost. Doch Untersuchungen aus dem Süddeutschen Raum zeigen, dass relevanter Bodenfrost im Wald im Zuge des Klimawandels bereits heute kaum noch in mitteleuropäischen Wäldern auftritt. Sind daher Bogiebänder und ein niedriger Reifenfülldruck eine Option?

Ralf Bördner: Es stimmt, der Boden ist wohl die wichtigste Voraussetzung für unseren Wald und dessen Wachstum. Aber mehr noch. Er ist auch Lebensgrundlage für uns alle. Wasserreinhaltung, Wasserspeicher für das lebensnotwendige Trinkwasser sind nur einige wichtige diesbezügliche Aspekte.

Deshalb geht auch unser Blick bei der Pflege und Betreuung unserer Wälder nicht nur nach oben zu den Bäumen, sondern auch nach unten auf die Böden. So vermeiden wir in der Forstwirtschaft weitgehend alle tieferen Eingriffe in den Boden. Bodenbearbeitung, wie wir sie aus der Landwirtschaft kennen, kommt praktisch nicht mehr vor im forstlichen Handeln. Ganz ohne Maschinen geht es aber auch im Wald nicht. Deshalb beschränken wir seit vielen Jahren die Befahrung von Waldböden ausschließlich auf sogenannte Rückegassen oder Rückelinien. D. h. der Boden wird nur noch auf schmalen Fahrspuren im Abstand zwischen 20 und 40 Meter befahren. Dies gilt dauerhaft! Wenn also z. B. eine Windwurfkatastrophe Waldteile vernichtet oder umwirft bleiben diese Linien auch für den nachfolgenden Wald bestehen.

Ja, und die Maschinen die wir im Wald brauchen, fahren heute mit hochmoderner Achs- und Federungstechnik sowie äußerst bodenschonender Breitreifenausstattung. Obwohl die Maschinen oft einen großen und schweren Eindruck vermitteln verursachen sie einen weit geringeren Bodendruck als kleine Traktoren, wie wir sie aus anderen Bereichen kennen, oder beispielsweise auch ein Pferdehuf!

Waldboden
„Leider wird aber immer noch bei einem Blick in oder auf den Wald zu wenig dem Boden Beachtung geschenkt. Da Öffentlichkeitsarbeit vor allem von Interesse lebt, kommt dieses Thema, wie ich meine, insgesamt zu kurz.“ ©Alexander Stahr

Die Verdichtung oder Homogenisierung des Waldbodens durch schwere Maschinen könnte bei großflächigem Einsatz die Grundwasserneubildung negativ beeinflussen, da sie zu Stau- und Haftnässe führt, was eine Versickerung des Niederschlags beeinträchtigt. Gibt es dazu wissenschaftliche Untersuchungen?

Ralf Bördner: Ja, das stimmt, wissenschaftliche Untersuchungen bestätigen das auch. Aber ohne jegliche Befahrung auch von Waldböden kommen wir nicht aus. Deshalb schränken wir die Befahrung auf nur kleine Teilflächen, also-Rückegassen-, wie beschrieben.

Ist die Holzernte mit der Motorsäge und Rückepferden heutzutage eine Alternative, wie sie der populistisch agierende Förster, Jagdgegner und erfolgreiche Sachbuchautor Peter Wohlleben propagiert?

Ralf Bördner: Eine wirkliche realistische Alternative ist das nicht. Man muss nämlich wissen, dass wir in Deutschland einen jährlichen Pro-Kopf-Verbrauch von rd. 1,3 cbm Holz und Holzprodukten haben. Weiß man dazu, dass wir nachhaltig nur 55 – 60 Millionen cbm Holz im Jahr bei uns ernten, wird schnell klar, dass wir sogar nennenswert Holz importieren müssen, um unseren eigenen Bedarf an diesem nachwachsenden natürlichen Rohstoff decken zu können. Wir tun also gut daran, den heimischen Rohstoff Holz bei uns nachhaltig zu nutzen, anstatt Holz aus fernen Regionen, wie auch immer erzeugt, über weite Wege zu uns zu transportieren. Dieses Holz bei uns aber schonend, wirtschaftlich und nachhaltig allein mit Motorsäge und Rückepferden zu ernten, ist unmöglich und völlig unrealistisch. Auch wenn es mit nostalgisch verklärtem Blick eine wünschenswerte Vorstellung wäre ist das zeitlich sowie von Menge und Dimension nicht leistbar!

Bei Kahlschlägen – z. B. bei der Errichtung von Windindustrieanlagen im Wald – oder großflächigem Windwurf im Wald führt die stärkere Belichtung des Waldbodens zu einer vermehrten Aktivität des Bodenlebens, mit der eine schnellere Mineralisierung der postmortalen organischen Substanz (Humus) einhergeht. Durch die Überschuss-Mineralisierung und bakterielle Oxidation von Ammonium (NH4+) zu Nitrat (NO3) erhöht sich durch diese Nitrifikation die Gefahr einer Nitratauswaschung ins Grund- und somit in das Trinkwasser. Wie geht der Forst damit um?

Ralf Bördner: Das ist richtig geschildert. Windwürfe oder ähnliche Katastrophen können wir aber leider nicht vermeiden. Deshalb versuchen wir solche Flächen sehr schnell wieder mit Wald zu versehen, z. B. durch Pflanzungen mit standortangepassten Baumarten.

Generell setzen wir aber seit langem schon auf eine Waldbehandlung, die ohne Kahlschläge auskommt. Durch einzelbaumorientierte vorsichtige Holzernte fördern wir die natürliche Verjüngung unserer Wälder mit genetisch angepassten Bäumen und ohne Kahlflächen.

Windwurf
„Windwürfe oder ähnliche Katastrophen können wir aber leider nicht vermeiden. Deshalb versuchen wir solche Flächen sehr schnell wieder mit Wald zu versehen, z.B. durch Pflanzungen mit standortangepassten Baumarten.“ ©Alexander Stahr

Das Kalken des Waldbodens soll der Versauerung der Böden entgegenwirken, da die Versauerung des Bodens u. a. Wurzelschäden nach sich ziehen kann. Zwar puffert die Kalkung den Säureeintrag, bringt aber neue Probleme. Denn die Kalkung erhöht die Aktivität der Bodenlebewesen mit der ein schnellerer Humusabbau und somit ein Nährstoffverlust einhergeht. Dabei wird auch das Wasserspeicherungspotential der Böden herabgesetzt. Durch die kalkungsbedingte Überschuss-Mineralisierung und Nitrifikation erhöht sich die Gefahr der Nitratauswaschung ins Grund- und somit ins Trinkwasser. Wie sinnvoll ist also die Waldbodenkalkung? Wie muss man abwägen?

Ralf Bördner: Auch das ist grundsätzlich richtig. Wir müssen jedoch tatsächlich abwägen. Vorsichtige angemessene Kalkungen sollten da Platz greifen, wo sie auf Grund des Bodenmilieus und des Gesundheitszustands der aufstockenden Wälder schlicht und ergreifend das Überleben dieses Waldes sichern. Hier soll und muss zum Teil einfach nur „hinhaltender Widerstand“ geleistet werden. Darüber hinaus sparen wir ohnehin bestimmte Wälder und besonders sensible Bereiche aus.

Inwieweit spielt der Waldboden, seine Funktion im Ökosystem und die Art und Weise seiner Bewirtschaftung eine Rolle in der Öffentlichkeitsarbeit des Forstes?

Ralf Bördner: Wie eingangs gesagt, ist der Waldboden sehr wichtig und von großer Bedeutung. Leider wird aber immer noch bei einem Blick in oder auf den Wald zu wenig dem Boden Beachtung geschenkt. Da Öffentlichkeitsarbeit vor allem von Interesse lebt, kommt dieses Thema, wie ich meine, insgesamt zu kurz. Hoffen wir, dass sich das Interesse am Waldboden und damit auch die Sensibilität für den Waldboden wandeln. Dann finden auch Information und Öffentlichkeitsarbeit zu diesem Thema mehr Aufmerksamkeit.

1989-1992 und 2006-2008 erfolgte die Bodenzustandserhebung im Wald (BZE, BZE II). Konnte man dabei signifikante Veränderungen an den Waldböden feststellen?

Ralf Bördner: Ja, der Zustand der Waldböden hat sich im Vergleich der Bodenzustandserhebungen leicht verbessert. Dank Maßnahmen zur Luftreinhaltung, Waldumbau und Bodenschutzkalkungen haben die Waldböden begonnen, sich zu erholen. Gestiegene pH-Werte und Humuszustand legen beispielhaft darüber Zeugnis ab. Aber das ist erst der Anfang. Maßnahmen zur Luftreinhaltung müssen ebenso ihre Fortsetzung finden, wie die praktizierte bodenschonende Waldbewirtschaftung.

Ahabc.de dankt Ralf Bördner für die interessanten Antworten und wünscht ihm weiterhin viel Erfolg bei seiner Arbeit.