Dr. Luise Radermacher
Gartenbauexpertin Frau Dr. Luise Radermacher. ©LVG Erfurt

Das Wichtigste für den Garten- und Pflanzenliebhaber ist neben der Pflanze selbst natürlich das Substrat oder die Pflanzerde, die zum optimalen Gedeihen der „Lieblinge“ beitragen soll. Im Handel gibt es inzwischen eine fast unüberschaubare Fülle an speziellen Substraten oder Pflanzerden für alle möglichen Pflänzchen im Garten, Kübel und Topf. Welches Substrat das Richtige für Ihre Pflanzen und was im Grunde genommen überflüssig ist, fragte ahbc.de die Gartenbauexpertin Frau Dr. Luise Radermacher. Sie leitet den Fachbereich Zierpflanzenbau an der Lehr- und Versuchsanstalt für Gartenbau (LVG) in Erfurt.

Im Handel gibt es zahlreiche Spezialsubstrate. Etwa für Rhododendren, Buxbäume, Rosen, Zitruspflanzen und viele andere mehr. Haben all diese Substrate oder Erden ihre Berechtigung oder ist das eher geschäftsfördernd für die kommerziellen Hersteller? Wächst der Buxbaum nicht auch in Rosenerde, der Kaktus nicht auch in Zimmerpflanzenerde oder allesamt im vorhandenen Gartenboden vor Ort?

Dr. Radermacher: Ich kann verstehen, dass Kunden hier leicht die Übersicht verlieren. Gleichzeitig bemühen sich die namhaften Hersteller darum, gute Produkte zu liefern und ihren Kunden ein auf das Produkt angepasstes Substrat anzubieten. Es gibt einige Pflanzen, die aus verschiedenen Gründen nicht so gut in „Standard“-substraten gedeihen, wie z. B. Orchideen, Kakteen, Zitrus- und Moorbeetpflanzen. Hier empfehle ich nachdrücklich die Verwendung von Spezialsubstraten. Gleichzeitig lässt sich nicht bestreiten, dass auch einige Spezialsubstrate im Handel erhältlich sind, bei denen meiner Meinung nach hinsichtlich der Zusammensetzung zu geringe Unterschiede zu „Standard“-Substraten bestehen, als dass diese als Spezialsubstrate klassifiziert werden sollten.

Viele handelsübliche Substrate enthalten laut Verpackungsangaben eine Startdüngung mit allen wichtigen Nährstoffen, welche die Pflanzen für mehrere Wochen ohne zusätzliche Düngung versorgen. Kann man diesen Angaben bedenkenlos glauben, oder sollte man doch zusätzlich Düngergaben verabreichen?

Gewächshäuser
Gewächshäuser der Lehr- und Versuchsanstalt für Gartenbau (LVG) in Erfurt. ©LVG Erfurt

Dr. Radermacher: Es ist richtig, dass “Start”-Nährstoffe sind in vielen Fertigsubstraten enthalten sind, aber über Menge und Dauer der Wirkung können oft keine gesicherten Angaben gefunden werden. Viel hängt dabei auch vom Verbrauch durch die darin wachsenden Pflanzen ab. Natürlich benötigen große bzw. schnell wachsende Pflanzen mehr Nährstoffe als kleine, langsam wachsende. Düngen Sie nicht sofort nach dem Einpflanzen, sondern versuchen Sie, einen eventuellen Düngermangel zu ermitteln. Am besten gehen Sie an das Problem heran, indem sie etwa sechs Wochen nach dem Umpflanzen beginnen, die üblichen Blumendünger probeweise anzuwenden. Ein deutlicher Effekt zeigt sich dann bald durch stärkeres Wachstum. Bleibt dieses aus, war noch ausreichend Dünger im Substrat. Länger als zwei Monate dürfte der Düngervorrat in der neuen Erde allerdings selten reichen, es sei denn, es wurde Langzeitdünger verwendet. Dies sollte aber aus den Angaben auf der Verpackung deutlich hervorgehen.

Viele erfahrene Gartenfreunde haben sich auf ganz bestimmte Pflanzen spezialisiert. So finden sich in manchen Gärten zahllose Rosen, in anderen domminieren Rhododendren oder etwa Funkien (Hosta). Diese „Spezialisten“ unter den Gärtnern lehnen fertige Spezialsubstrate für ihre Pflanzen häufig ab und schwören auf Selbstgemischtes. Das trifft insbesondere auch für „Gewächshausgärtner“ zu, die z. B. ihre Orchideen oder Sukkulenten in eigenen Substraten pflegen. Ist dies aus fachlicher Sicht nachzuvollziehen oder übertrieben und im Grunde genommen gar nicht notwendig?

Lehr- und Versuchsanstalt für Gartenbau
Lehr- und Versuchsanstalt für Gartenbau (LVG) in Erfurt. ©LVG Erfurt

Dr. Radermacher: Viele Pflanzenarten wachsen wesentlich besser in speziellen, auf sie abgestimmten Substratmischungen. Möchten Sie selbst etwas Geeignetes anmischen, müssen Sie über Chemie und Physik der Bestandteile Bescheid wissen und darüber hinaus den Bedarf der infrage kommenden Pflanzen kennen. Oft können Hinweise erfahrener Pflanzenfreunde bei den entsprechenden Vereinen, in Büchern oder im Internet auf den richtigen Weg helfen.

Viele fertige Substratmischungen werden zur Verwendung durch weniger fachkundige Verbraucher hergestellt (z. B. Orchideenerde, Kakteenerde). Diese sind in der Regel wesentlich besser für die jeweiligen Pflanzenarten geeignet, als eine „Standard“-Blumenerde, so lange die einer namhaften Firma gewählt wird. Die angebotenen “Einheitserden” sind dabei aber für eine Vielzahl von Balkon- und Zimmerpflanzen gut geeignet, und die Hersteller sind in der Regel bemüht, ein gutes Produkt zu liefern.

Können auch noch unerfahrene Hobbygärtner und Pflanzenfreunde Spezialsubstrate – sofern sie benötigt werden – einfach selbst herstellen oder sollten sie vorerst auf Fertigprodukte zurückgreifen, bis eine gewisse Erfahrung erlangt ist?

Sukkulenten
Sukkulentengärtner und andere Liebhaber spezieller Kulturen setzen häufig auf eigens gemischte Substrate. Namhafte Hersteller von Spezialerden könen aber Anfängern von bestimmten Kulturen mit ihren Produkten durchaus hilfreich sein und auch fortgeschrittenen Sammlern von Spezialkulturen hochwertiges Substrat anbieten.   ©Alexander Stahr

Dr. Radermacher: Wenn Sie ein Spezialsubstrat benötigen, wollen Sie ja ganz bestimmte Pflanzen kultivieren. Fast immer finden Sie andere Pflanzenfreunde, die ähnliche Pflanzen pflegen wollen. Sie sind die besten Informanten, sind miteinander im Austausch über ihre eigenen Erfahrungen und sind durchaus bereit, auch zu beraten. Oft kann auch eine gute Fachgärtnerei mit eigenen Kulturen dieser Pflanzen schnell weiterhelfen.

Bis Sie eigene Erdmischungen mit Vertrauen anwenden können, können Sie käufliche Spezialerden verwenden. Falls diese Ihre Erwartungen nicht voll erfüllen, können Sie dann eigene Mischungsanteile hinzufügen und den Effekt studieren. Diese interessante Arbeit birgt natürlich Erfolge und Misserfolge, aber darin liegt auch die Freude mit der Beschäftigung mit Ihren Pflanzen.

In zahlreichen handelsüblichen Substraten ist Torf in unterschiedlichen Anteilen enthalten. So etwa in Spezialsubstraten für Rhododendren, die einen relativ niedrigen pH-Wert des Substrates zum optimalen Gedeihen benötigen. Wie kann der Hobbygärtner mit Vorliebe für diese und andere sogenannte Moorbeetpflanzen (u. a. Azaleen, Lavendelheide, Heidekraut) auf torfhaltige Substrate zum Schutz der Moore verzichten und trotzdem prächtige Exemplare heranziehen? Welche Ersatzstoffe gibt es?

Rhododendron
Rhododendren brauchen saure Substrate. ©Alexander Stahr

Dr. Radermacher: Für Torf als Mischungsbestandteil der Substrate bemühen sich viele Herstellerfirmen um Ersatz, obwohl hier auch noch Forschungsbedarf besteht. Zu nennen wären hier vor allem Holzfasern, Kokosfasern und Komposte. Holzfasern und Kokosfasern sind gut untersucht, und eine Anzucht von Pflanzen darin problemlos möglich. Aber diese Materialien sind nicht so erfolgreiche Säurelieferanten für Moorbeetpflanzen wie Torf. Bei Komposten besteht immer die Problematik, dass diese selten einheitlich in ihren Eigenschaften sind, denn genau wie bei dem Kompost aus Ihrem Komposthaufen im Garten sind jedes Jahr unterschiedliche Bestandteile enthalten.

Wenn Sie Dünger mit niedrigem Säuregrad (pH 4 bis 5) bewusst verwenden, können Sie dem Bedarf von Moorbeetpflanzen ein Stück entgegenkommen. Kalkgaben müssen unter allen Umständen vermieden werden. Wenn Sie die Möglichkeit haben, einen sauren Kompost zuzubereiten oder zu kaufen, ist auch dies eine interessante Möglichkeit.

In den Medien „geistert“ der Begriff „Terra Preta“ umher, den viele Gartenfreunde mit Begeisterung aufgreifen. Dabei handelt es sich einerseits um anthropogen in verschiedenen Regionen der Erde (z. B. Amazonasgebiet) über lange Zeiträume entstandene Böden aus einer Mischung von Bodenmaterial, Küchenabfällen, Fäkalien oder sonstigen Biomasseresten. Es werden neuerdings aber auch Terra Preta ähnliche Biokohlesubstrate industriell hergestellt und in den Handel gebracht. Auch Privatleute experimentieren mit Kohlesubstraten für ihre Pflanzen. Sind solche Substrate tatsächlich besser als herkömmlicher Kompost?

Dr. Radermacher: Tatsächlich ist die Entstehung der Terra Preta – z. B. im Amazonasgebiet – erst seit wenigen Jahren wirklich erforscht. Der schwarze Bestandteil dieser Erden (preta = portugiesisch schwarz) ist tatsächlich überwiegend meist Kohle aus von Menschen verbrannten Pflanzen. Wo es Terra Preta gibt, war früher menschliche Bevölkerung ansässig. Natürlich sind diese Kohlepartikel klein, sehr gut verteilt und haben ein besonders hohes Wasser- und Nährstoffspeicherungsvermögen. Deshalb ist die Terra Preta bis heute an landwirtschaftlich besonders bevorzugten Arealen zu finden, in einem Umfeld, was ansonsten sehr oft extreme Böden aufweist und kein Potenzial für die Landwirtschaft bietet (tropische Waldregionen).

Gewächshaus
Foliengewächshaus der Lehr- und Versuchsanstalt für Gartenbau (LVG) in Erfurt. ©LVG Erfurt

Terra Preta in Eigenregie “herzustellen” ist ein ehrgeiziges Ziel. Man verspricht sich davon die Vorteile der schwarzen Kohlepartikel an Standorte zu bringen, die ansonsten arm sind. Die Kohlepartikel haben den Vorteil der nur sehr langsamen Umsetzung in gelöste Bodenbestandteile, wie sie z. B. in altem Laubkompost massenhaft vorhanden sind. Solcher Humus jedoch zersetzt sich weiterhin schnell und ein dauerhafter Verbesserungseffekt, wie er z. B. aus kleinen Kohlepartikeln kommen kann, bleibt aus. Komposterde bietet deshalb meist nur wenig wirklich dauerhafte Bodenverbesserung.

Aus bisheriger Sicht ist eine großflächige Bodenverbesserung durch künstliche Terra Preta bisher nicht praktikabel, jedoch werden weiterhin Ansätze dazu verfolgt. Bei in Eigenregie zusammengestellten Erdmischungen werden von einigen Gärtnern des Öfteren zerkleinerte Holz- bzw. Aktivkohlepartikel eingebracht. Diese Kohlepartikel sind aber viel größer, als die in der Terra Preta. Ihr Effekt ist eher eine verbesserte Boden-Durchlüftung, die bei einigen Kulturen erwünscht ist.

Beim Umtopfen von Zimmer- und Kübelpflanzen, bei Pflanzarbeiten im Garten oder bei der Entsorgung einer von Schadorganismen befallenen Pflanze fallen oft Reste an Substrat oder Boden an, die mit pflanzlichem Material (z. B. abgestorbene Wurzeln) durchsetzt sind. Sollte man diese Reste entsorgen oder möglichst wiederverwerten?

Dr. Radermacher: Ich persönlich halte immer eine Entsorgung für besser, und dies aus verschiedenen Gründen. Bereits benutzte Erden enthalten oft Schädlinge, Fäulnispilze, Krankheiten und unkontrollierte chemische Materialien, die einer direkten Wiederverwendung entgegenstehen. Dazu gehört auch, dass man kaum weiß, wie viele Nährstoffe in diesen gebrauchten Erden noch enthalten sind und für neue Pflanzen zur Verfügung stehen.

Ahabc.de dankt Frau Dr. Radermacher für die interessanten Antworten und wünscht ihr weiterhin viel Erfolg bei ihrer Arbeit.