Moore: Schaurig? Schön?
Wer an Moor denkt, dem fallen vielleicht zuerst sicherlich ein paar schaurige Dinge ein: Irrlichter, Gespenster, Geister, geheimnisvolle Moorfrauen oder andere übernatürliche Gestalten ein. Nicht umsonst spielen auch Krimis und andere blutrünstige Storys häufig in Mooren. Und die Moorleichen gibt es auch, sogar echte. In der Regel sind es aber sehr alte Leichen aus dem Mittelalter oder noch viel älter. Vielleicht denkt man auch an Sumpf, versinken im Untergrund, ersticken im Moor, wie das ebenfalls in zahlreichen Romanen oder Fernseh- und Kinofilmen als schockendes Element veranschaulicht wird. Das Moor als Ort des Schreckens. Andere Zeitgenossen würden Moor hingegen als Quelle der Wellness verstehen: Moorbäder und Moorbehandlungen als Therapie für Gesundheit und Wohlbefinden. Und tatsächlich sind Moore überhaupt nicht schaurig oder schrecklich. Im Gegenteil. Moore sind sonders wertvolle Biotope mit schützenswerten Tieren und Pflanzen, die dort einmalig sind. Und so können wir auch völlig entspannt derartige Zeilen einer weithin bekannten Persönlichkeit auf uns wirken lassen:
„O Schaurig ist’s übers Moor zu gehn,
wenn es wimmelt vom Heiderauche,
sich wie Phantome die Dünste drehn
und die Ranke häkelt am Strauche,
unter jedem Tritte ein Quellchen springt,
wenn aus der Spalte es zischt und singt,
o schaurig ist’s übers Moor zu gehn,
wenn das Röhricht knistert im Hauche!“
aus „Der Knabe im Moor“ 1842 von Annette von Droste-Hülshof (1797-1848)
Was sind Moore?
Moore sind vom Wasser geprägte Böden (z. B. Bodentyp Niedermoor, Bodentyp Hochmoor) aus Pflanzenmaterial. Sie bestehen aus bis zu mehreren Metern mächtigen Humushorizonten. Moore entstehen überall dort, wo Wasser im Überschuss vorhanden ist. Sei es als Regen, hoch stehendes Grundwasser, Quellwasser, häufigem Hochwasser oder etwa Stauwasser. Auch Kondenswasser kann zur Moorbildung führen. Kondenswassermoore bilden sich über steilen, ausgedehnten Blockhalden durch den Austritt von Kaltluft. Bei Sonneneinstrahlung wird die Luft um die Blockhalde erwärmt und steigt auf, während die Luft im Innern kühler bleibt. Dadurch strömt die kühlere Luft in der Halde hangabwärts. Sozusagen in Richtung des „Tiefdruckgebietes“. Am Fuß der Halde tritt die Kaltluft aus und kühlt die umgebende Luft ab. Da kalte Luft weniger Feuchtigkeit aufnehmen kann als warme Luft, gibt sie Feuchtigkeit ab. Es kommt zur Kondensation, die Torfmoosen ein Wachstum ermöglicht. Man spricht auch vom Windröhreneffekt. Kondenswassermoore finden sich z. B. bei Blockhalden im Hochgebirge.
Moore sind äußerst vielgestaltig und können nach unterschiedlichsten Kriterien unterschieden werden. Nicht selten gibt es Übergänge zwischen mehreren Moortypen. Grob kann man bei den meisten Mooren – sieht man einmal von den „exotischen“ Moortypen ab (z. B. Kondenswassermoor) – aufgrund des Oberflächenverlaufes zwischen Niedermoor und Hochmoor, auch Regenmoor genannt, unterscheiden. Niedermoore werden vom Grundwasser beeinflusst und sind recht nährstoffreich. Hochmoore hingegen sind nährstoffarm, sauer und werden nur noch vom Niederschlag ernährt. Daher auch die Bezeichnung „Regenmoor“ für Hochmoor. ihre Oberfläche ist uhrglasähnlich gewölbt.
Wie entstehen Nieder- und Hochmoore?
Nieder- und Hochmoore bilden sich, wenn Luftmangel den Abbau abgestorbener Pflanzen oder Pflanzenteile hemmt, wodurch sich große Mengen davon als Torf anreichern. Dies ist in Seen, an dauernd oder immer wieder einmal stark vernässten Bereichen in der Landschaft der Fall. Große Regenmengen, niedrige Jahresdurchschnittstemperaturen und hohe Luftfeuchtigkeit tragen ein Übriges zur Moorbildung bei. Niedermoore entwickeln sich durch allmähliches Verlanden eines Gewässers vom Ufer aus. Stark wuchernde Pflanzen des Schilfgürtels, Röhricht genannt, wie Schilf oder Rohrkolben, liefern das Material für die Torfbildung. Verlandung bezeichnet die allmähliche Verkleinerung einer Wasserfläche durch das Wachstum von Pflanzen des Röhrichts. Zusätzlich zum Wachstum der Sumpf- und Wasserpflanzen fördert die Ablagerung von Sand, Ton und Schlick den Vorgang der Verlandung.
Im Laufe des Verlandungsprozesses engt das Röhricht die freie Wasserfläche immer mehr ein, zugleich besiedeln Erlen, Weiden, Moorbirken oder Kiefern den bereits verlandeten Bereich. Der so genannte Bruchwald entsteht. Wächst der Torf über die ehemalige Wasseroberfläche heraus, so entsteht verstärkter Nährstoffmangel, da der Kontakt zum Grundwasser verloren geht und Nährstoffe der Vegetation nur über den Niederschlag zugeführt werden. In diesem Stadium, dem Übergangsmoor, siedeln sich erste Hochmoorpflanzen an.
Bei weiterem Wachstum verschwindet der Bruchwald und schließlich bilden vor allem Torfmoose, die zahlreichen Sphagnum-Arten sowie Wollgras, Moosbeere, Binsen und andere Hochmoorpflanzen den gewölbten Torfkörper des Hochmoores. Torfmoose stellen den wesentlichen Anteil an der Vegetation eines Hochmoors und somit auch am Torf. In Mitteleuropa kommen etwa 35 Arten dieser Pflanzen vor. Entwicklungsgeschichtlich sind diese Pflanzen recht alt und primitiv. Die unscheinbaren Pflanzen tragen keine Blüten und haben verzweigte Stämmchen, die unten absterben und oben stets weiter wachsen. So primitiv sie auch sein mögen, Torfmoose besitzen erstaunliche Fähigkeiten. Sie sind in der Lage Wasser kapillar hochzuheben, sodass der Wasserspiegel der Hochmoore in der Regel mehrere Meter über dem Grundwasserspiegel liegt. Dazu sind sie auch im abgestorbenen Zustand durch so genannte Hyalinzellen in der Lage. Mit Hilfe dieser Zellen schaffen es einige Torfmoosarten das 20-25-fache ihres Trockengewichtes an Wasser zu speichern. In Trockenperioden füllen sich die Hyalinzellen mit Luft. Die grünen oder bräunlichroten Pflanzen verblassen dadurch, weshalb sie auch „Bleichmoose“ oder „Weißmoose“ genannt werden.
Torfmoose versauern ihren Lebensraum selbst. Sie nehmen Nährstoffe (Mineralionen) aus dem umgebenden Wasser auf und geben Wasserstoffionen ab, welche die Umgebung versauern. Mit pH-Werten von 3,0–4,0 sind Hochmoore so sauer wie Essig. Dieses saure Milieu sorgt auch für den guten Erhaltungszustand von Moorleichen im Torf. Nur wenige Pflanzen halten es mit Torfmoosen aus: Zwergsträucher wie die Heidelbeere (Vaccinium myrtillus), die Preiselbeere (Vaccinium vitis-idea), die Rosmarinheide (Andromeda polifolia), die Moosbeere (Vaccinium oxycoccos), die Besenheide (Calluna vulgaris), die Glockenheide (Erica tetralix), die Rauschbeere (Vaccinium uliginosum) oder die Schwarze Krähenbeere (Empetrum nigrum). Unter den Gräsern sind es beispielsweise das Scheidige Wollgras (Eriophorum vaginatum) und die Rasige Haarsimse (Trichophorum caespitosum). Eine der bekanntesten Pflanzen der Hochmoore ist sicherlich der Rundblättrige Sonnentau (Drosera rotundifolia), ein wahrlich blutrünstiger Fleischfresser. Hochmoore sind uralt, denn um einen Meter Torf zu bilden braucht es etwa 1.000 Jahre.
Moore haben seit jeher nicht nur Literaten, sondern auch die Wissenschaftler geradezu magisch angezogen. Sind Torfschichten für den Bodenkundler Böden, so stellen sie für Geologen ein brennbares, biogenes Gestein namens Kaustobiolith dar (von griechisch kaio = brennen, bios = Leben und lithos = Stein). Dass sich Biologen für Moore mit ihrer faszinierenden Tier- und Pflanzenwelt interessieren, versteht sich von selbst. Archäologen, Ökologen, Geographen, Klimaforscher, Historiker und viele andere Wissenschaftler wären zu nennen, die es auf das Forschungsobjekt Moor abgesehen haben. Nicht zuletzt natürlich wegen der Moorleichen und des Klimawandels.
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