Tobias Nagel
M.Sc Tobias Nagel. ©Privat

Durch die Ratifizierung der am 21. März 1994 in Kraft getretenen Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen (UNFCCC – United Nations Framework Convention on Climate Change) hat sich die Bundesrepublik Deutschland dazu verpflichtet, u. a. über die Vorräte an Kohlenstoff in Böden zu berichten. Durch die Bodenzustandserhebungen (BZE) im Wald Ende der achtziger Jahre und von 2006-2008 lagen diesbezüglich für Waldböden repräsentative Daten vor.

Da jedoch keine einheitlichen Datensätze über Gehalte und Vorräte an organischem Kohlenstoff in landwirtschaftlich genutzten Böden bis zum Jahr 2011 vorlagen, wird seit Januar 2011 eine deutschlandweite und repräsentative Inventur der Kohlenstoffvorräte in landwirtschaftlich genutzten Böden vom Johann Heinrich von Thünen-Institut in Braunschweig (Bundesforschungsinstitut für Ländliche Räume, Wald und Fischerei) durchgeführt (= BZE Landwirtschaft). Wie diese Inventur von statten geht und welche Bodenparameter sonst noch von Bedeutung sind, fragte ahabc.de Tobias Nagel (M.Sc Bodennutzung und Bodenschutz), zu dessen Tätigkeiten im Rahmen der BZE Landwirtschaft am Thünen-Institut u. a. der Plausibilitätsabgleich der bodenkundlich kartierten Profile mit der KA5 (5. Auflage der bodenkundlichen Kartieranleitung), die Qualitätssicherung und der Datenbankabgleich zwischen Labor- und Feldwerten gehören.

Welche Bodenkennwerte werden bei der BZE Landwirtschaft neben den Kohlenstoffvorräten untersucht und warum?

Tschernosem
Geländearbeiten (Tschernosem). ©Thünen-Institut/S. Evertsbusch

Tobias Nagel: Zentrale Werte sind der organische Kohlenstoffgehalt und der Feinbodenvorrat nach Horizonten und Tiefenstufen, aus denen sich die Kohlenstoffvorräte berechnen lassen. Im Feld werden darüber hinaus alle gängigen, bodenkundlichen Kriterien von Bodenart bis Bodenfarbe kartiert, der Bodentyp detailliert klassifiziert und standorttypische Merkmale dokumentiert. Durch unser Labor wird anschließend anhand von Bodenproben der Steingehalt, die Trockenrohdichte und Bodenart ermittelt, aber auch Parameter wie der pH-Wert, organischer Kohlenstoffgehalt, Carbonatgehalt und Stickstoff, da diese auf den Bodenkohlenstoff Einfluss nehmen. Gerade aber auch die Bodenart, also der Sand-, Ton- bzw. Schluffanteil, sowie der Carbonatgehalt spielen eine wichtige Rolle, um die am Profil ermittelten Parameter zu bestätigen bzw. somit die korrekte Bezeichnung von Horizontsymbol und Bodentyp zu gewährleisten.

Wie geht die BZE Landwirtschaft methodisch vor?

Pseudogley-Pelosol
Pseudogley-Pelosol. ©Thünen-Institut/T. Rauschen

Tobias Nagel: Zuerst wurde ein 8×8 km-Raster über Deutschland gelegt, um so im Zufallsprinzip einen möglichst guten Querschnitt der landwirtschaftlich genutzten Flächen zu erreichen. Alle Punkte, die sich auf Ackerflächen, Grünland oder anderweitig landwirtschaftlich genutzten Flächen wie Obst- oder Weinanbau befanden, sind somit in den Pool potenzieller Beprobungsflächen gelangt. Die Eigentümer der betroffenen Flächen werden dann von unseren Mitarbeitern ermittelt, kontaktiert und um eine freiwillige Teilnahme an dem Projekt gebeten. Stimmt der Bewirtschafter zu, beantwortet also einen Fragebogen zur Bewirtschaftungshistorie und Betriebsstruktur, fahren unsere Geländeteams zu dem Standort. Dort werden durch einen Kartierer in einer 1 m tiefen Profilgrube die Eigenschaften des Standorts sowie der Bodentyp detailliert bestimmt, Bodenproben im Profil selber und an 8 Punkten im Radius von 10 Metern um das Profil mittels Rammkernsondierung entnommen. Hierdurch lässt sich dann die Variabilität des Standorts ableiten. In unserem Labor erfolgt dann die Analyse aller zuvor erwähnten Parameter. Die Laborverfahren orientieren sich hierbei an DIN-Normen und den Verfahren, die bei der BZE- Wald angewendet wurden. Alle Ergebnisse werden hierbei intensiv qualitätsgesichert.

Neben den Feld- und Labordaten sind die Angaben der Landwirte von zentraler Bedeutung für die wissenschaftliche Auswertung der Kohlenstoffvorräte. Denn letztlich ist es Ziel des Projektes, die aktuell vorhandenen Kohlenstoffvorräte von den Beprobungspunkten in die Fläche zu skalieren. Hierzu müssen Bezüge zu räumlichen Daten erstellt werden, welche die Kohlenstoffvorräte beeinflussen, insbesondere die Bodenausgangssubstrate, Klima und Nutzung. Daneben will das Projekt die Stabilität der Kohlenstoffvorräte näher untersuchen und verstehen. Die Daten münden schließlich in wissenschaftliche Modelle, mit denen abgeschätzt wird, ob die Böden derzeit oder zukünftig Kohlenstoff akkumulieren oder verlieren und welche Rolle Klimawandel und Bewirtschaftung dabei spielen.

Werden die Ergebnisse der BZE Landwirtschaft in unterschiedliche Projekte einfließen?

Tobias Nagel: Ja, die Daten und auch das Bodenprobenarchiv der BZE fließen in weitere Projekte ein. Derzeit sind dies z. B. Projekte zur Methodenentwicklung von Laborverfahren für Kohlenstoff und Steuergrößen bzw. zur Stabilität von Kohlenstoff in besonders kohlenstoffreichen Böden.

Treposol
Geländearbeiten (Treposol). ©Thünen-Institut/S. Evertsbusch

Können auch Universitäten, Behörden oder Wissenschaftler für bodenkundliche Publikationen die Ergebnisse einsehen und nutzen?

Tobias Nagel: Ja, selbstverständlich. Derzeit gibt es bereits Kooperationen mit den geologischen Diensten verschiedener Bundesländer, mit denen die Geländearbeiten teilweise gemeinsam durchgeführt werden. Kooperationen zur Forschung oder hoheitlichen Aufgaben sind sehr willkommen, sobald die Qualitätssicherung der Daten abgeschlossen ist. Alle betrieblichen Details unterliegen dem Datenschutz und werden daher nur in der BZE verwendet. Mit dem Abschluss des Projektes werden dann die Daten in einem ähnlichen Umfang veröffentlicht, wie es bereits bei der BZE-Wald erfolgte.

Bringt die BZE Landwirtschaft Vorteile oder Empfehlungen für die jeweiligen Grundeigentürmer bzw. Landwirte hinsichtlich der zukünftigen Bewirtschaftung ihrer landwirtschaftlich genutzten Flächen?

Tobias Nagel: Der Bewirtschafter erhält von uns alle Ergebnisse. Wenn es sich um eine verpachtete Fläche handelt, erhält der Eigentümer auf Wunsch ebenfalls die Informationen zum beprobten Standort. Insgesamt kommen die Ergebnisse in zwei Schritten: Zuerst erfolgt zeitnah nach der Beprobung der Versand einer Standortbeschreibung, wobei es sich hier um einen auf das Wichtigste reduzierten Kartierbeleg von Bodentyp und Horizonteigenschaften handelt – ergänzt um ein Profilfoto. Wenn die Laboranalyse abgeschlossen ist, werden die detaillierten Ergebnisse zum Humus- bzw. Kohlenstoffgehalt, dem C/N-Verhältnis und der Carbonatgehalte sowie pH-Wert der unterschiedlichen Beprobungstiefen bis 100 cm verschickt. Eine Empfehlung für die Bewirtschaftung an sich können wir nicht geben, da nur ein Punkt beprobt wurde, der nicht für den ganzen Schlag repräsentativ ist. Allerdings wird der Landwirt für die Teilnahme und den Zeitaufwand von uns entschädigt.

Schwarzerde
Schwarzerde (Tschernosem). ©Thünen-Institut/T. Rauschen

Zu welcher Jahreszeit wurden die Böden untersucht und warum?

Tobias Nagel: Der Umfang des Projekts erfordert eine ganzjährige Beprobung. Wobei idealerweise die Standorte zu einem Zeitpunkt beprobt werden, an dem der Schaden an Boden und der Feldfrucht so gering wie möglich gehalten wird. Vornehmlich ist dieses bei Ackerstandorten dann das frühe Frühjahr und das Winterhalbjahr, während die Grünländer jeweils nach den Schnitten im Sommerhalbjahr ins Augenmerk fallen. Letztendlich kann der Landwirt jedoch einen „Wunschzeitraum“ angeben und unser Planungsteam versucht entsprechend zu planen und lädt den Landwirt ein, bei der Beprobung vor Ort mit dabei zu sein.

Die BZE Landwirtschaft erfolgt seit 2011. Gibt es erste Ergebnisse und wie fallen diese aus?

Tobias Nagel: Es gibt erste regionale Ergebnisse und diese spiegeln tendenziell jenes wieder, was die bodenkundliche Theorie verspricht: Böden unter Grünlandnutzung haben deutlich höhere Kohlenstoffvorräte im Boden als Äcker. Dies gilt sowohl allgemein als auch innerhalb jedes Bodentyps, wobei aber auch immer die Bewirtschaftungsweise eine gewisse Rolle spielt. Doch auch scheinbar „arme“ Sandböden haben oftmals einen höheren Kohlenstoffgehalt als erwartet. Dass hier die Werte von der Literatur abweichen, liegt aber auch an unserer Beprobungstiefe bis 100 cm. Viele Untersuchungen decken oftmals nur den Bereich vom Pflughorizont ab. Überraschend viele Böden sind tiefgründig vom Menschen überprägt, also durch Drainagen, tiefes Pflügen oder andere historische Eingriffe. Der Einfluss des Menschen auf Bodenkohlenstoff reicht oft weit unter die Pflugsohle. Weitere Ergebnisse, z. B. welche Bodenklassen oder Kulturen in welchen Regionen erfasst worden sind, lassen sich auf der BZE-Homepage für jeden in Erfahrung bringen. Dort kann mittels Web-GIS-Anwendung zudem Einblick zum Stand der Feldarbeit und dem Status der Laboranalyse aufgerufen werden – ebenfalls wird ersichtlich, welche Region gerade bei der Beprobung im Fokus liegt.

Ahabc.de dankt Tobias Nagel für die ausführlichen Antworten und wünscht ihm weiterhin viel Erfolg bei seiner Arbeit.