Prof. Dr. Frank A. Ewert
Prof. Dr. Frank A. Ewert, Wissenschaftlicher Direktor des Leibniz-Zentrums für Agrarlandschaftsforschung (ZALF) e. V. und Professor für Pflanzenbau an der Universität Bonn. ©Andreas Krone/ZALF

Prof. Dr. Frank A. Ewert leitet seit 2016 das Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (ZALF) e. V. im Brandenburgischen Müncheberg. Er ist außerdem Professor für Pflanzenbau an der Universität Bonn. Im Interview beantwortet er Fragen zum aktuellen Hitze- und Trockenstress in der Landwirtschaft und fordert einen verstärkten gesamtgesellschaftlichen Dialog über die Frage, wie eine nachhaltige und klimarobuste Landwirtschaft der Zukunft aussehen soll.

Zu wenig Niederschläge, extreme Hitze: die Landwirtschaft ist in diesen Wochen im Dauerstress. Sind das die Folgen des Klimawandels und was können die Landwirtinnen und Landwirte tun?

Die aktuelle Situation besonders hier in Brandenburg ist schon dramatisch. Die Messstationen auf unseren Versuchsfeldern zeigen, dass von März bis Juni nur rund 100 mm/m2 Niederschlag gefallen sind. So wenig Niederschlag haben wir zuletzt im Jahr 1976 erfasst. Die Extremwetterereignisse nehmen zwar insgesamt zu, fallen aber ganz unterschiedlich aus. So hatten wir es im letzten Jahr in Brandenburg mit zu viel Wasser und Staunässe auf den Feldern zu tun. In diesem Jahr sind es Hitze und zu wenig Niederschläge. Das sind ganz unterschiedliche Einflüsse auf die Produktionssysteme und führt zu ganz anderen Maßnahmen, die Landwirte ergreifen können, um sich zu schützen.

Eine Möglichkeit sich diesen unterschiedlichen Wetterextremen ganz grundsätzlich zu stellen ist die Risikostreuung durch Diversifizierung. Wenn Landwirte ihre Fruchtfolgen erweitern, werden Sie immer auch Fruchtarten haben, die an die auftretende Extremsituation besser angepasst sind als andere. Das sehen wir auch in diesem Jahr. Wintergerste ist beispielsweise von der Trockenheit noch relativ wenig beeinflusst, während andere Fruchtarten wie Winterroggen oder Winterweizen deutlich stärker beeinträchtigt sind.

Die Kernempfehlung ist also die Diversifizierung im Anbau?

Das ist eine Möglichkeit: Diversifizierung greift aber noch weiter und reicht von den Anbaumaßnahmen bis hin zum Betriebssystem. Bei den Anbaumaßnahmen können Landwirte die Reifetypen und den Zeitpunkt der Aussaat variieren. Optimale Kombinationen lassen sich zwar nicht genau vorhersagen, da auch das Auftreten von Extremwetterereignissen nur sehr vage vorbestimmt werden kann. Eine Streuung kann aber hilfreich sein, um beispielsweise die hitzeempfindliche Blüte bei Getreide gezielt in einen längeren Zeitraum fallen zu lassen.

Der Landwirt kann zudem wie bereits angedeutet sein Anbauportfolio öffnen, verschiedene Fruchtarten anbauen und damit das Risiko für einzelne Arten minimieren. Eine andere denkbare Maßnahme wäre, die Fruchtarten zu wechseln, also eher auf Arten zu setzen, die grundsätzlich eine höhere Resistenz gegenüber Hitze und Trockenheit haben, beispielsweise Mais, Hirse oder Sojabohne. Wichtig ist zudem, dass die Bodenfruchtbarkeit aufgebaut und erhalten sowie die Wasserhaltefähigkeit des Bodens positiv beeinflusst wird. Auch hier spielen weite Fruchtfolgen mit mehreren Arten eine wichtige Rolle.

Im Bereich der Züchtung ist man zunehmend bemüht, Sorten bereit zu stellen, die stärkere Resistenzen gegen Dürre und Hitzestress besitzen. Beregnungsanlagen sind zwar eine hilfreiche Option, aber eine nicht unerhebliche Investition, die sich am Ende rechnen muss. Darüber hinaus könnte man darüber nachdenken, Versicherungsprodukte anzubieten, mit denen sich Landwirte gegen derartige Risiken besser absichern können. Im Bereich des Hagelschutzes gibt es diese Optionen bereits. Schlussendlich ist auch die Politik gefragt, den Landwirten über Extremsituationen hinwegzuhelfen.

Gibt es Feldfrüchte, die unabhängig vom Extrem besonders wiederstandfähig sind?

Jede Pflanze hat ihre physiologischen Grenzen was Trockenheit, Hitze, Kälte oder Frost angeht. Den Allrounder gibt es leider noch nicht. Wir haben hitzetolerantere Pflanzen, die aber in anderen Bedingungen nicht so gut gedeihen – etwa wenn es kühler wird. Wir kommen stattdessen wieder zum Punkt der Diversifizierung, mit der man sich als Landwirt für viele Extreme zumindest durch eine gewisse Streuung des Risikos anpassen kann. Natürlich sind in diesem Zusammenhang auch die Möglichkeiten der Verarbeitung und Vermarktung, das Angebot und die Nachfrage nach Fruchtarten, relevant. Ein Landwirt muss auch diese im Blick behalten, was in Zeiten globalisierter Märkte zunehmend schwierig ist. Die Antwort liegt also vor allem im besseren Verständnis und der Gestaltung des Gesamtsystems Landwirtschaft.

Bauen wir in Deutschland bald nicht mehr Getreide sondern zum Beispiel Zitronenbäume an?

Inwiefern wir hier perspektivisch Veränderungen in den Produktionssystemen, vom Acker- zum Obstbau oder hin zu anderen Systemen wie der Forstwirtschaft oder Agroforstwirtschaft erleben werden, bedarf einer breiteren Diskussion in der Forschung, Politik und Landwirtschaft. Für unseren Forschungsbereich der Agrarlandschaftsforschung können wir sagen, dass wir in Zukunft zunehmend andere Feldfrüchte im heimischen Anbau sehen werden, etwa die Sojabohne oder Hirse. Grundsätzlich gehen wir aber davon aus, dass Ackerbau und Grünland auch künftig die wichtigsten Formen der Landnutzung in unserer Landwirtschaft bleiben.

Wenn Sie einen Appell für die Zukunft an die Landwirte richten könnten, was wäre das?

Mittelfristig ist es wichtig, dass man gut darüber nachdenkt, welche pflanzen- und ackerbaulichen Möglichkeiten es gibt. Oft fallen diese Maßnahmen auch zusammen mit Bestrebungen, die Nachhaltigkeit der Produktion grundsätzlich zu verbessern. Viele Forschungseinrichtungen bieten die Möglichkeit des Austausches, wir führen beispielsweise regelmäßig Feldtage mit Landwirten durch oder arbeiten gemeinsam an Forschungsvorhaben. Wir sehen diese Diskussion aber breiter und setzen uns für einen verstärkten Austausch zwischen Politik, Wissenschaft und Landwirtschaft ein. Nur gemeinsam kommen wir zu geeigneten Entwicklungswegen, die politisch unterstützt und von der Gesellschaft getragen werden. Die aktuellen Herausforderungen in der Landwirtschaft sind komplex und erfordern eine möglichst ganzheitliche, systemische Betrachtung unter Einbeziehung aller betroffenen Akteure.

Wie gut ist die Landwirtschaft in Deutschland auf den Klimawandel vorbereitet?

Nicht jedes Extremwetterereignis lässt sich auf den Klimawandel zurückführen. Es mehren sich aber die Hinweise auf eine Zunahme der Häufigkeit von extremen Wetterereignissen und einer Beziehung zum Klimawandel.

Wir haben auch in diesem Jahr Beispiele von Betrieben, die relativ gut mit der extremen Dürre zurechtkommen. Zudem sehen wir auch große regionale Unterschiede. Die Möglichkeiten sich über Maßnahmen im Acker- und Pflanzenbau, der Fruchtfolgegestaltung, Diversifizierung und Verbesserung der Bodenfruchtbarkeit anzupassen, wurden bereits genannt. Betriebsökonomische Zusammenhänge sind auf jeden Fall mitzudenken. Welche finanzielle Flexibilität benötigen Betriebe, um sich anpassen zu können?

Wir müssen uns grundsätzlich fragen, welche Landwirtschaft wir in Zukunft wollen. Wie verbinden wir die Ernährungssicherheit mit einer effizienteren Nutzung von Ressourcen und vermindern gleichzeitig negative Auswirkungen auf Klima, Umwelt und Biodiversität? Wie gelingt es uns gleichzeitig, diese Landwirtschaft robuster gegenüber den klimatischen Veränderungen auf unserem Planeten zu gestalten? Eine gesamtgesellschaftliche Diskussion hierzu ist aus meiner Sicht absolut notwendig. Meine Hoffnung ist, dass die Extremwetterereignisse der letzten Jahre zu einer intensiveren Auseinandersetzung zwischen Wissenschaft, Politik, Gesellschaft und Landwirtschaft zu diesem Thema führen – denn wir brauchen eine gemeinsame Vision von der Landwirtschaft der Zukunft.

Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Prof. Dr. Frank Ewert, frank.ewert@zalf.de

Quelle: IDW-online