Dr. Peter Schad
Dr. Peter Schad. ©Jakob Schad

Im Jahr 1998 wurde die internationale FAO-Bodenklassifikation (FAO = Food and Agriculture Organization of the United Nations) von der World Reference Base for Soil Resources (WRB) abgelöst, die von der International Union of Soil Sciences (IUSS) offiziell anerkannt ist. Nach Updates in 2006 und 2007 erschien 2014 die neueste Version der WRB. Ahabc.de befragte Dr. Peter Schad vom Wissenschaftszentrum Weihenstephan (Lehrstuhl für Bodenkunde) der Technischen Universität München zur neuen internationalen Bodensytematik. Dr. Schad ist Vorsitzender der Arbeitsgruppe World Reference Base for Soil Resources der International Union of Soil Sciences und Mitautor der Bücher „Böden der Welt“ und „Waldböden: Ein Bildatlas der wichtigsten Bodentypen aus Österreich, Deutschland und der Schweiz“.

Hat sich die WRB nach 16 Jahren an den deutschsprachigen Hochschulen als Selbstverständlichkeit in der bodenkundlichen Lehre etabliert oder stehen immer noch die nationalen Bodenklassifikationen im Vordergrund? Und fällt es den Studierenden schwer umzudenken?

Dr. Schad: Meines Wissens wird in den deutschsprachigen Studiengängen überall mit der deutschen (bzw. der österreichischen) Systematik begonnen. An einigen Hochschulen wird zusätzlich die WRB gelehrt, aber längst nicht an allen. Wir haben aber auch englischsprachige Master-Studiengänge, in denen nur die WRB gelehrt wird. Mit der WRB ist es wie mit einer Fremdsprache. Wenn man in Gedanken jeden Satz aus der Fremdsprache erst ins Deutsche übersetzt, wird man in der Fremdsprache nie zuhause sein. Man muss in der Fremdsprache denken. Genauso muss man in der WRB denken, ohne sich zu überlegen, was denn der betreffende Bodentyp nach der deutschen Systematik wäre. Das fällt den Studierenden oft leichter als den erfahrenen Bodenkundlern.

Wird die WRB in Zukunft die nationalen Klassifikationen ersetzen? Könnte es eine ausschließlich international orientierte Bodenkundliche Kartieranleitung geben? In diesem Fall müssten ja auch alle Bodenkarten der Geologischen Dienste der Bundesländer neu erstellt werden – zumindest theoretisch.

Dr. Schad: Die WRB verfügt nicht über eine Kartieranleitung. Zur Bodenbeschreibung verwendet sie die FAO Guidelines for Soil Description. Die WRB ist nur ein Klassifikationssystem. Ich denke nicht, dass sie in nächster Zeit die nationalen Systeme ersetzten wird. Erstens ist ein nationales System ein Kulturgut. Zweitens ist es für die Böden des betreffenden Landes oftmals präziser. Drittens ist die WRB ein weltweites System. Wenn man sie also für Deutschland anwendet, schleppt man auch alle Bezeichnungen für Böden mit, die es in Deutschland gar nicht gibt. Zur Erleichterung könnte man natürlich ein länderspezifisches Exzerpt der WRB entwerfen, wie es z. B. die Norweger gemacht haben. Viertens müsste man neue Bodenübersichtskarten erstellen. Das ist aber nur dann ein Problem, wenn die zugrunde liegenden Datenbanken die Daten nicht enthalten, die man für eine Klassifikation nach WRB braucht.

Eine hundertprozentige Übersetzung der deutschen Bodentypenbezeichnungen der KA 5 in die WRB ist nicht immer möglich (Beispiel: Reduktosol). Müssen da Kompromisse gemacht werden, die dem entsprechenden Bodentyp nicht ganz gerecht werden?

Im Gelände (Mexiko)
Im Gelände (Mexiko). ©Carlos Cruz

Dr. Schad: Die WRB unterscheidet 32 Bodentypen (Reference Soil Groups), die durch Adjektive näher beschrieben werden, die als Qualifier bezeichnet werden. Die meisten Reduktosole sind Reductic Gleysols (manche auch Reductic Stagnosols), wobei je nach Eigenschaften des Reduktosols noch weitere Qualifier hinzukommen. Nicht möglich ist eine Übersetzung Name für Name. Die WRB-Bezeichnung muss stets basierend auf den Bodeneigenschaften neu ermittelt werden. Eine Parabraunerde ist z. B. je nach Basensättigung ein Luvisol oder ein Alisol (in den Tropen können es auch noch Lixisols oder Acrisols sein). Alle Bodentypen der KA 5 lassen sich nach WRB adäquat darstellen. Man muss keine Kompromisse eingehen.

Neben den Bodentypen und Subtypen gibt es ja in der deutschen Bodenkunde noch den Begriff der Bodenform, die sozusagen das Gesamtbild des Standorts beschreibt. Etwa: Parabraunerde aus lösslehm- und tephrahaltiger Hauptlage über lösslehmhaltiger Mittellage über Basislage aus devonischen Schiefern. Wie wird das gehandhabt? Gibt es dabei einen Sprachmix?

Dr. Schad: Bis jetzt ist das in der WRB nur ansatzweite enthalten. Einige Substratmerkmale (z. B. Bodenart, Schichtung, Tephragehalt) können durch Qualifier ausgedrückt werden. Alles weitere bleibt der Bodenbeschreibung nach den FAO Guidelines for Soil Description vorbehalten.

Einige Bodenansprachen können gemäß WRB nur anhand von Labordaten vorgenommen werden. Dann ist eine reine Geländekartierung eigentlich nicht möglich. Ist das nicht zu aufwändig?

Dr. Schad: Das ist bei der deutschen Bodensystematik auch so. Ein Ah-Horizont, zum Beispiel, erfordert einen bestimmten Mindesthumusgehalt in Abhängigkeit vom Ton- und Schluffgehalt. Man muss also die Gehalte an Gesamtkohlenstoff, ggf. an anorganischem Kohlenstoff sowie die Korngrößenzusammensetzung bestimmen. Das ist durchaus aufwändig. Bei manchen Merkmalen könnte man sich in der Tat überlegen, ob man Laborwerte braucht oder ob eine ungefähre Abschätzung im Gelände nicht genügen würde. Bei vielen Merkmalen geht es aber nicht ohne Labor. Wenn wir zum Beispiel auf alten tropischen Landoberflächen sind, ist mit stark verwitterten Böden zu rechnen, die viel unfruchtbarer sind als junge Böden. Das kann man dem Bodenprofil aber schlecht ansehen. Man braucht dazu die Kationenaustauschkapazität pro kg Ton. Auf solche Analysendaten kann man nicht verzichten.

Was ist – abgesehen von der Tatsache, dass man sich mit Kollegen aus aller Welt über ein Aufschlussprofil unterhalten kann – nach Ihrer Meinung der größte Vorteil der WRB?

Dr. Schad: Der Name, den die WRB einem Boden gibt, soll sowohl über seine Genese informieren als auch über seine Funktionen. Bei einigen Bodentypen ist das noch nicht vollständig gelungen, doch sind wir auf gutem Weg dazu. Wir haben die WRB so konstruiert, dass alles, was in einem nationalen Klassifikationssystem wichtig ist, auch in der WRB ausgedrückt werden kann. In der Neuauflage 2014 sind außerdem klare Regeln zur Erstellung von Kartenlegenden enthalten, so dass nun auch weltweit klein- und mittelmaßstäbige Bodenkarten erstellt werden können.

Ahabc.de dankt Herrn Dr. Schad für die informativen Antworten und wünscht auch weiterhin viel Erfolg bei seinen beruflichen Projekten.