Bodenerosion durch Trittschäden
Bodenerosion durch Trittschäden von Wanderern. ©Alexander Stahr

Boden ist auf unserem Globus die Lebensgrundlage des Menschen, von anderen Tieren, von Pflanzen, Pilzen und von einem unglaublichen Heer aus Milliarden an Mikroorganismen. In einer Hand voll Boden leben mehr Organismen als Menschen auf der Erde (diese Aussage mag unter bodenkundlich Interessierten und Bodenkundlern inzwischen vielleicht als „abgedroschen“ erscheinen, doch man sollte sie sich immer wieder vor Augen führen). Daher ist der Verlust an Boden und somit auch an Lebensraum durch Erosion ein weltweites Umweltproblem – für alle Betroffenen. Unter dem Begriff “Erosion” (von lateinisch “erodere” = abnagen) verstehen Geologen und andere Geowissenschaftler die natürliche Abtragung der Gesteine an der Erdoberfläche. Um davon Prozesse der Bodenabtragung, die vom Menschen verursacht wurden und werden, abzugrenzen, spricht man in der Bodenkunde von “Bodenerosion” (englisch = Soil Erosion).

Wer oder was bewirkt Bodenerosion?

Unter Bodenerosion wird in bodenkundlichen Lehrbüchern und in Zeitschriftenbeiträgen meist die Wassererosion und die Winderosion verstanden. Da der Boden im Hochgebirge jedoch auch durch Schneedeckenbewegungen (Gleitschnee, Schneerutschungen, Lawinen), Bodenrutschungen (Translations- und Rotationsrutschungen) und im Flachland wie auch im Hochgebirge sowie in den Mittelgebirgen durch das Pflügen von Äckern oder Abtreten durch Mensch und Weidetiere abgetragen wird (z. B. Langenscheidt & Stahr 2011, Stahr & Langenscheidt 2014), sollten unter dem Begriff “Bodenerosion” alle Bodenumlagerungs- bzw. Abtragungsprozesse infolge von Wasser-, Wind- und mechanischer Einwirkung verstanden werden, die durch menschliche Eingriffe ermöglicht oder unmittelbar verursacht werden. Und diese Prozesse wurden schon recht früh ausgelöst.

Neolithikum: Anfänge in der Jungsteinzeit

Jungsteinzeitliches Langhaus
Charakteristisches neolithisches Langhaus. ©Gudo Knabjohann, Alexander Stahr

Aus erdgeschichtlicher Sicht begann der Mensch erst vor kurzem in die Landschaft Mitteleuropas einzugreifen, obwohl erste, relativ kleine Eingriffe mit Beginn des Ackerbaus im Neolithikum (= Jungsteinzeit, 5500-2200 v. Chr.) schon fast 8000 Jahre und vielleicht sogar weiter zurückliegen. Für die Gewinnung von Ackerflächen (auch für Siedlungszwecke und zur Energiegewinnung) wurde insbesondere in den mitteleuropäischen Lösslandschaften (z. B. Calenberger Lössbörde, Limburger Becken, Wetterau, Braunschweig-Hildesheimer Lössbörde, mittelsächsisches Lösshügelland u. a.) von den neolithischen Ackerbauern Wald gerodet. Offenbar erkannte bereits der jungsteinzeitliche Mensch die Fruchtbarkeit und relativ leichte Bearbeitbarkeit der Lössböden in den Beckenlandschaften gegenüber den mehr oder weniger steinreichen Böden höherer Lagen der Mittelgebirge (Sabel 1983). Die Rodungen sowie die Bearbeitung der schluffreichen und somit erosionsanfälligen Lössböden (Parabraunerden, Schwarzerden) führten schon bei geringen Hangneigungen zur Erosion. Beweise dafür liefern zahlreiche datierte Kolluvien aus verschiedenen Regionen Mitteleuropas. So etwa aus dem Rhein-Main-Gebiet. Nahe der hessischen Landeshauptstadt Wiesbaden wurde eine Probe aus einem Kolluvium mit einem 14C-Alter von 6970 ± 100 Jahre vor heute datiert (Giessübel 1977). Semmel (1995) wies nach, dass es sich bei dieser Probe um Material aus einem verschütteten Pflughorizont (fAp-Horizont) handelt.

Ebenfalls für einen fAp-Horizont bei der rheinland-pfälzischen Landeshauptstadt Mainz ließ sich ein 14C-Alter von 8065 ± 370 Jahre ermitteln (Semmel 1995). Kolluvien im Odenwald wurden auf 8645 ± 410 Jahre vor heute datiert (Semmel 1995) und weisen somit sogar spätmesolithisches Alter auf (Mesolithikum = Mittelsteinzeit). Ein Kolluvium im Taunus (Rheinisches Schiefergebirge) konnte auf einen Zeitraum von 6512-6330 Jahre vor heute datiert werden (Stolz 2008).

Getreidekultivierung leitet Degradation der Böden ein

Acker
Früh erkannten die Menschen des Neolithikums geeignete Böden für den Ackerbau. ©Alexander Stahr

Nachweise einer im Neolithikum einsetzenden Bodenerosion und den damit in den großen Flusstälern auch einhergehenden frühen Anfängen der Auenlehmbildung finden sich vielerorts und sind in der wissenschaftlichen Literatur zahlreich dokumentiert. So setzte beispielsweise nach Kossack (1995) auch im niederbayerischen Altsiedelland eine Erosion der Böden im Neolithikum ein. Im späten Neolithikum führte der Ackerbau im Breisgau erstmals zu verstärkter Bodenerosion (Friedmann 2000).

Verstärkte Erosionsprozesse im Neolithikum werden von Küster et al. (2011) für Vorpommern ebenfalls in das späte Neolithikum gestellt. In den Alpen ist die Weidenutzung durch neolithische Bauern im Bereich der Waldgrenze schon 1000 Jahre vor „Ötzi“ (ca. 5250 Jahre vor heute) nachgewiesen (Patzelt 1997, s. a. Veit 2002), was angesichts hoher Reliefenergie im Hochgebirge sicherlich intensivere Erosionsprozesse als im Flach- und Hügelland (Mittelgebirge) auslöste. Fest steht, dass die Entwicklung vom Jäger und Sammler zur Kultivierung von ersten Getreidearten wie Einkorn (Triticum monococcum), auch Blicken oder Kleiner Spelz genannt, und Emmer (Triticum dicoccum), auch als Zweikorn bezeichnet, die Degradation der Böden in Mitteleuropa einleitete (s. a. Helbig et al. 2009).

Bronzezeit bis Mittelalter: Die Erosion schreitet voran

Limes
Nach der Niederlage in der Varusschlacht in der zweiten Hälfte des Jahres 9 n. Chr. errichteten die Römer den mehr als 500 Kilometer langen Grenzwall Limes. Da dieser über weite Strecken aus hölzernen Palisaden bestand und man auch für die zahlreichen Wachtürme und Kastelle sowie deren Infrastruktur Holz benötigte, kam es zu umfangreichen Rodungen. ©Alexander Stahr

Zahlreiche Untersuchungen an unterschiedlichen Standorten in Deutschland belegen, dass Bodenerosion im Neolithikum auflebte und dass von der Bronzezeit (2.200 v. Chr. bis 800 v. Chr.) über die Eisenzeit (= Hallstattzeit und La-Tène-Zeit) bis in die Antike (römische Besatzungszeit) hohe Erosionsraten in Mitteleuropa nachzuweisen sind (z. B. Schulte & Heckmann 2002, Bork & Lang 2003). Dies liegt insofern auf der Hand, da nicht nur die Ackerflächen, insbesondere während der Römerzeit (auch zusätzlich Weinanbau), zunahmen, sondern auch der Bedarf an Energie (Brennholz für den Hausbrand, für Warmwasserbecken von Bädern und Fußbodenheizungen) Energie zur Verhüttung von Metallen und Bauholz (Gebäude, Schiffbau). Nach der Niederlage in der Varusschlacht in der zweiten Hälfte des Jahres 9 n. Chr. errichteten die Römer den mehr als 500 Kilometer langen Grenzwall Limes. Da dieser über weite Strecken aus hölzernen Palisaden bestand und man auch für die zahlreichen Wachtürme und Kastelle sowie deren Infrastruktur Holz benötigte, kam es zu umfangreichen Rodungen. Doch nicht nur das: Im Vorfeld des Limes durfte es für anrückende „Feinde“ des Römischen Reiches keine Deckung geben. Daher ist dort ebenfalls von umfangreichen Kahlschlägen auszugehen, was eine Bodenerosion in diesen Bereichen sicherlich begünstigte.

Kahlschlag im Mittelalter und in der Neuzeit

Kohlenmeiler
Die Köhlerei führte zur Verwüstung der Wälder in Mitteleuropa, was der Erosion vom Mittelalter bis zur Neuzeit Vorschub leistete. ©Alexander Stahr

Bis vor rund 200 Jahren (vor Beginn der industriellen Revolution) waren Holz und insbesondere Holzkohle, sieht man einmal vom Wind (Windmühlen) und fließendem Wasser (Wassermühlen für unterschiedlichste Zwecke) ab, die wesentlichen Energieträger. Von großer wirtschaftlicher Bedeutung war daher die Köhlerei. Holzkohle wurde im Mittelalter und seit Beginn der Neuzeit (ab ca. 1500) in großen Mengen vor allem zur Verhüttung von Erzen benötigt. Davon zeugen die zahlreichen historischen Kohlenmeilerstandorte in den Mittelgebirgen, die zum Teil mittelalterlich und zum Teil neuzeitlich sind.

Für die Köhlerei wurde bevorzugt Buchen- und Eichenholz verwendet, das eine Kohle mit besonders hoher Dichte lieferte. Für die Herstellung von zehn Kilogramm Holzkohle musste man 50 Kilogramm Holz im Kohlenmeiler verkohlen. Allein für die Herstellung eines Hufeisens brauchte man rund 60 Kilogramm Holzkohle. Das lässt erahnen, in welchem Umfang die Köhlerei betrieben werden musste, um den Bedarf an Holzkohle zu decken.

Am Ende des 18. Jahrhunderts war der Waldanteil in der Landschaft infolge der intensiven Nutzung stark zurückgegangen. Die Verwüstung war so weit fortgeschritten, dass eine Energiekrise drohte. Bis ins frühe 19. Jahrhundert gab es in weiten Teilen Mitteleuropas keinen Hochwald mehr (z. B. Stolz 2008, Stahr 2011).

Erhöhte Erosionsaktivität

Entstehung einer Runse
Entstehung einer Runse (Erosionsgraben) im Mittelgebirge. ©Alexander Stahr

Vor dem Hintergrund der Übernutzung der Landschaft und der Verwüstung der Wälder bedeutete dies eine erhöhte Erosionsaktivität. Vor allem im 17. und 18. Jahrhundert. Davon zeugen in vielen Mittelgebirgen tief eingeschnittene Runsen (Gräben) unter heutiger Waldbedeckung (z. B. Bauer 1993, Stolz 2008). Zu allem Überfluss herrschte vom Anfang des 15. bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts die so genannte „Kleine Eiszeit“, auch „Neuzeitliches Klimapessimum“ genannt. Im Verlauf dieser natürlichen Klimavariation gab es in Europa oft sehr kalte und lang andauernde Winter. Die Sommer waren häufig sehr niederschlagsreich und kühl. Missernten und Hungersnöte gingen damit einher.

Auch einzelne Extremwetterereignisse führten im Mittelalter und in der Neuzeit zu umfangreichem Bodenabtrag in Mitteleuropa. Eine der schwersten Unwetterkatastrophen in Deutschland und Mitteleuropa ereignete sich im Juli des Jahres 1342, die als so genanntes „Magdalenenhochwasser“ in die Umweltgeschichte einging (z. B. Behringer 2009, Glaser 2008). Magdalenenhochwasser deshalb, da die zu dieser Zeit gängige Benennung der Tage auf dem Heiligenkalender der römisch-katholischen Kirche der beruhte (St. Magdalenentag = 22. Juli). Berechnungen aus überlieferten Pegelständen zufolge fiel nach einer Dürreperiode vom 21.-25. Juli (Hennig 1904) die Hälfte des Jahresniederschlags (wahrscheinlich Vb-Wetterlage oder Mittelmeertief, was auch im Jahr 2002 zum katastrophalen Elbehochwasser führte). An zahlreichen Flüssen Mitteleuropas wurden die höchsten jemals registrierten Pegelstände erreicht. In weiten Gebieten wurde 1342 die Ernte vernichtet. Eine extreme Bodenerosion riss tiefe Gräben in die schon damals stark entwaldete Landschaft. In Deutschland wurde die Oberfläche der Ackerböden nach Schätzungen (Bork & Piorr 2000) in wenigen Tagen durchschnittlich 5 cm tiefer gelegt. Die Menge des abgetragenen Bodenmaterials betrug etwa 13 Milliarden Tonnen (Bork & Piorr 2000). Hinzu kamen weitere Extremwetterereignisse, so dass die Bodenoberfläche der Agrarlandschaft im 14. Jahrhundert insgesamt um durchschnittlich 10 cm tiefer gelegt wurde. Anschaulich wird dies, wenn man sich vor Augen führt, dass man heutige jährliche Erosionsraten durch Ackernutzung um etwa 500 Jahre aufsummieren müsste, um derartige Mengen an abgetragenem Bodenmaterial zu erhalten.

Neue Kulturen und Nachhaltigkeit

Mit der Einführung der relativ anspruchslosen Kartoffel in Deutschland im 17. Jahrhundert wurde der Ackerbau nach Rodungen auch in höheren und steileren Lagen der Mittelgebirge möglich, so dass die Erosion dadurch einen weiteren Aufschwung nahm (Helbig et al. 2009).

Die Verwüstung der Wälder Mitteleuropas vom Mittelalter bis in das 18. Jahrhundert war der wesentliche Grund für die extreme Bodenerosion. Aber auch der Wald selbst bzw. das, was von ihm übrig geblieben war, wurde zum Problem. Aufgrund der drohenden Energiekrise wurde die Nutzung des Waldes durch Verordnungen geregelt. Die Forstgesetze zielten von nun an auf nachhaltige Waldbewirtschaftung und dauerhafte Walderhaltung ab. Schon im Jahr 1713 formulierte Hans Carl von Carlowitz (1645–1714) in seinem Werk über die Forstwirtschaft „Sylvicultura oeconomica, oder haußwirthliche Nachricht und naturmäßige Anweisung zur wilden Baum-Zucht“ den Begriff „Nachhaltigkeit“.

20. Jahrhundert bis heute

Befahrener Waldboden
Der Forst geht nicht immer sanft mit seinen Böden um. ©Alexander Stahr

Weniger genau mit der Nachhaltigkeit nahmen und nehmen es die Forstverwaltungen in Deutschland heutzutage, was den Waldboden betrifft. Der Waldboden ist nach Aussage der Forstwirtschaft in der Bundesrepublik Deutschland das wichtigste Kapital einer nachhaltigen Forstwirtschaft. Der Schutz des Bodens sei daher eine Frage der Vernunft. Doch die Realität sieht oft anders aus. Seit dem letzten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts sind in den Forstrevieren Holzvollernter (Harvester) und Rückemaschinen im Einsatz. Bei feuchter Witterung führen das enorme Gewicht von Forstmaschinen und der Radschlupf zur völligen Zerstörung der Bodenstruktur, zur Homogenisierung des Bodens. Der Boden wird einfach gesagt durchgeknetet. Am Hang wird dadurch die Erosion des Waldbodens – sofern man diesen dann noch als solchen bezeichnen kann – gefördert bzw. erst möglich.

Flurbereinigung und neue Bundesländer

Eine besondere Phase der Bodenerosion auf (west)deutschen Ackerflächen fand in den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts statt. Gründe waren die intensive Bodenbearbeitung mit schweren Maschinen und vor allem die Flurbereinigung in Absicht der Bildung von großen Ackerschlägen. Die schweren Maschinen wirkten sich ungünstig auf das Bodengefüge aus. Durch eine tiefgründige Verdichtung der Ackerböden wurde einerseits Staunässe gefördert und andererseits der Bodenerosion Vorschub geleistet. Die Trendwende begann seit den 90er Jahren des 20. Jahrhunderts. Stichwort: Bodenschonende Bewirtschaftung oder konservierende und somit nachhaltige Bodenbearbeitung (Ökolandbau). In Mittel- und Ostdeutschland (neue Bundesländer) sind nach amtlichen Schätzungen rund 20% der ackerbaulich genutzten Böden durch Intensivlandwirtschaft zu DDR-Zeiten von Bodenerosion sehr stark geschädigt.

Im April 2011 wurde der Ortsteil Kavelstorf der Gemeinde Dummerstorf im Landkreis Rostock in Mecklenburg-Vorpommern über die Medien bekannt. Der Grund: Eine Staubwolke infolge von Winderosion sorgte auf der naheliegenden Bundesautobahn A19 für eine Massenkarambolage. Durch die Einführung der Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPGs) wurden viele Äcker in der DDR zu großen Schlägen (Einheiten) zusammengefasst. Um dies zu bewerkstelligen, mussten Hecken und Gehölze entfernt werden, die zuvor den Wind gebremst hatten. So wurden sehr große Ackerflächen geschaffen, die nun ohne Schutz vor starken Winden sind.

Vorbeugende Maßnahmen

Weinanbau
Terrassen im Weinbau sollen die Erosion vermindern. ©Alexander Stahr

Um die Erosion in den Mittelgebirgen und auf geneigten Ackerflächen möglichst gering zu halten, bauen viele Landwirte heute vor allem Wintergerste und Winterweizen an, damit der Boden so früh wie möglich wieder eine Vegetationsdecke trägt. Um oberflächlich ablaufendes Regenwasser aufzufangen, werden die Felder parallel zum Hang gepflügt (Konturnutzung). Das Wasser sammelt sich in den entstehenden Querrillen, so dass Bodenabspülung nur noch in einem tolerierbaren Ausmaß stattfindet. Im Wechsel mit Getreide wird häufig Raps (Zwischenfrucht) mit der Folge Wintergerste-Raps-Winterweizen angebaut, denn er wirkt der Bodenerosion aktiv und passiv entgegen. Raps wird im August eingesät, wodurch die entsprechenden Felder schon in den Wintermonaten von Vegetation bedeckt und somit deutlich weniger erosionsgefährdet sind. Da Raps eine hohe Stickstoffversorgung wünscht, wird mit Stickstoff gedüngt. Er reichert sich in der Pflanze an. Nach der Ernte wird das zerkleinerte Stroh oberflächlich mit nichtwendenden Bodenbearbeitungsgeräten (z. B. Grubber, Scheibeneggen) in den Boden eingearbeitet.

Scheibenegge
Scheibenegge zur oberflächlichen Bodenlockerung. ©Alexander Stahr

Dies hat zwei positive Effekte: Das eingearbeitete Stroh wirkt der Erosion entgegen, da es z. B. den Tropfenaufschlag mindert (konservierende Bodenbearbeitung). Zudem wird Rapsstroh relativ schnell von den Bodenmikroorganismen abgebaut und der angereicherte Stickstoff verbessert die Bodenfruchtbarkeit, da Stickstoff durch Gerste und Weizen verbraucht wird. Besonders anfällig für Erosion sind Maiskulturen. Diese wurden in jüngster Zeit vor dem Hintergrund der Biogaserzeugung ausgeweitet (Energiemais). Da auch eine konservierende Bodenbearbeitung beim Maisanbau keinen ausreichenden Erosionsschutz bietet, werden in Zusammenarbeit von Behörden und Landwirten verschiedene neue Anbaumethoden getestet (z. B. Kombination von Mulchsaat mit dem Direktsaatverfahren, Begrünungsmethoden). Im ehemals stark von Erosion betroffenen Weinanbau (z. B. Krieter 1985) haben Begrünungsmaßnahmen und die Verbesserung des Humushaushaltes zu befriedigenden Ergebnissen geführt, so dass hier der Bodenabtrag stark zurückging.

Strukturelle Veränderungen im Hochgebirge

Blaiken
Verschiedene Blaikentypen auf einer Alm in den Berchtesgadener Alpen. ©Alexander Stahr

Fördernd für Prozesse der Bodenerosion stellen auch strukturelle Veränderungen der Bewirtschaftungsweise dar. Insbesondere dann, wenn sich diese in Landschaftsbereichen mit hoher Reliefenergie vollziehen. So führten tiefgreifende strukturelle Veränderungen in der Almwirtschaft im Alpenraum vielerorts zur Arbeitsextensivierung mit geringerem Personalaufwand oder Brache. Einhergehend mit dem wirtschaftlichen Wandel ist seit den 1960er und 70er Jahren des 20. Jahrhunderts eine deutliche Zunahme von flächenhaften Erosionsschäden (Blaiken genannt) sowohl auf extensiv bewirtschafteten als auch auf brachliegenden Almen zu beobachten. Die Blaikenbildung als Folge beschleunigter Bodenabtragung ist z. B. in vielen Teilen der nördlichen Kalkalpen eine verbreitete hochgebirgsspezifische Erosionserscheinung auf Almen. In der neueren deutschsprachigen Literatur werden unter diesem Begriff vegetationslose oder nur schütter bewachsene, flächenhafte Schädigungen der Bodendecke auf Wiesen und Weiden verstanden, die Größenordnungen von wenigen bis zu mehreren hundert Quadratmetern erreichen können.

Neben flächenhaften Bodenschäden durch lokalen Überbesatz mit Weidevieh bei ungeregelter Weideführung, der Beweidung steiler Hänge bei Nässe und durch zunehmende touristische Aktivitäten (= Tritt-oder Narbenversatzblaiken) sowie Schnee- oder Lawinenschurfblaiken infolge mangelnder Pflegemaßnahmen (Schwenden, Entsteinen etc.) führen insbesondere Blattanbrüche zu einer drastischen Minderung der ökonomischen und ökologischen Standortqualität in der Kulturstufe der Almen. Im Gegensatz zu unregelmäßig ausgebildeten Tritt- oder in typischer Weise langgestreckten Schneeschurfblaiken ist für Blattanbrüche eine scharf ausgebildete, zumeist sichelförmig verlaufende Abtragungsfront und eine häufig größere laterale Ausdehnung charakteristisch. Sie beruhen auf der hangabwärtigen Verlagerung von oft mehrere Dezimeter mächtigen und mitunter viele Quadratmeter großen Bodenschollen samt Vegetationsdecke. Die daraus resultierenden Blaiken erreichen in der Regel Größen von ca. 2-200 m². Gerade die bevorzugten Almstandorte mit tiefgründigen, schluffig-lehmigen Böden aus Verwitterungsprodukten mergelig-kieseliger Sedimente der alpinen Trias, des Jura und der Kreide sind von diesem Blaikentyp betroffen. Auslöser für diesen Erosionsprozess sind Gleitschneerutsche und Lawinenabgänge (Stahr 1996, 1997, Stahr & Langenscheidt 2014, Langenscheidt & Stahr 2011).

Fazit

Die Eingriffe des Menschen in die natürliche Vegetation Mitteleuropas seit seiner beginnenden Sesshaftigkeit in der Jungsteinzeit förderten und fördern die Erosion der Böden. Sei es durch Ackerbau, Wald- oder Weidewirtschaft, militärische Maßnahmen, Tourismus oder durch Sonderkulturen wie dem Wein. Eine große Anzahl an Forschungsergebnissen zeigen in der Zusammenfassung, dass allein in Deutschland seit dem frühen Mittelalter auf landwirtschaftlich genutzten Flächen im Schnitt 50 cm Boden erodiert wurden. Von Natur aus bilden sich etwa 0,1 mm Boden pro Jahr neu. Dies bedeutet, dass Boden schneller erodiert als neuer Boden gebildet wird. Doch solange der Mensch Ackerbau, Weidewirtschaft, Waldwirtschaft betreibt und touristischen Zwecken nachgeht sowie Sonderkulturen anbaut, wird immer mit mehr oder weniger viel Bodenabtrag zu rechnen sein. Ohne Landwirtschaft gäbe es zwar keine Bodenerosion, aber auch keine Grundnahrungsmittel. Doch wer findet einen Ausweg aus dem Dilemma? Hier ist die Bodenkunde heute und in Zukunft gefragt.

Literatur

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