Boden und Klimawandel
Das Klima ist einer der Standortfaktoren, welche die Entwicklung des Bodens entscheidend beeinflussen. Das sieht man am deutlichsten beim Vergleich von Böden oder besser von Bodengesellschaften unterschiedlicher Klimazonen (z. B. von Böden der Arktis mit Böden der gemäßigten Breiten) oder von reliktischen Paläoböden in Mitteleuropa, die sich unter subtropisch-tropischen Klimaten vergangener Erdzeitalter (Neogen, Paläogen und älter) entwickelt hatten. Letztere zeigen allein schon aufgrund ihrer oft intensiven Färbung in leuchtenden Rottönen überaus deutlich, wie sich ein Klimawandel auf die Bodenentwicklung auswirkt. Das ist natürlich ein krasser, wenn auch durchaus statthafter Vergleich. Beim aktuell diskutierten Klimawandel geht es jedoch nicht um den Sprung vom gemäßigten zum tropischen Klima, sondern um eine mehr oder weniger kontinuierliche Erhöhung der Jahresdurchschnittstemperatur um wenige Grad Celsius von etwa der Mitte des 19. Jahrhunderts an beginnend (laut Weltklimarat IPCC von 1880 bis 2012 um 0.85 °C). Seit 1998 jedoch stagniert die Temperatur mit gewissen Schwankungen in etwa auf einem Niveau (viel diskutiert wegen des „warum?“). Welche Prognosen der Klimaforschung für die kommenden Jahre zutreffen werden, ist derzeit völlig offen und soll hier auch nicht das Thema sein, das seit vielen Jahren sehr hitzig und kontrovers diskutiert wird.
Szenario: Es wird wärmer
Wenn es um das Thema Boden und Klimawandel geht, wird von den geologischen Landesdiensten der Bundesrepublik Deutschland und den Umweltministerien der Länder sowie vom Bundesumweltministerium aber stets das Szenario „es wird global noch wärmer“ angenommen. Vor diesem Hintergrund werden u. a. die möglichen Auswirkungen auf die Böden diskutiert. Die Klimamodelle prognostizieren für die Zukunft bekanntlich mehr Niederschlag im Winter, trockenere Sommer, extreme Starkniederschläge, heftige Stürme und eine Zunahme der Gesamtmenge an Niederschlägen. Neben Änderungen des Bodenwasserhaushaltes und zunehmender Bodenerosion wird daher auch eine geänderte Humusdynamik erwartet.
Gerade die organischen Subtanzen des Bodens aus lebenden Organismen und postmortaler Substanz (Humus) haben einen wesentlichen Einfluss auf die Bodeneigenschaften und Bodenfunktionen. So trägt der Humus u. a. zur Filterung und Pufferung von Schadstoffen bei, ist durch seine hohe Ionenaustauschkapazität bedeutend für die Bodenfruchtbarkeit und wirkt sich positiv auf Infiltration, Luftdurchlässigkeit, Wasserspeicherung und nutzbare Feldkapazität aus. Zudem erhöht der Humus die Aggregatstabilität, wodurch ein besserer Schutz vor Erosion und Verdichtung gegeben ist.
Der Anteil an Humus im Boden ist insbesondere abhängig vom Klima, von der Bodenart (Körnung oder Korngrößenverteilung), vom Wasserangebot, von der biologischen Aktivität (Mineralisierung und Humifizierung durch Bodenorganismen) und von der Vegetation und deren Streu. Annähernd gleich bleibende Standortfaktoren bedingen ein Gleichgewicht zwischen Humusaufbau und Humusabbau. Veränderungen der Standortfaktoren – hier das Klima – stören das Gleichgewicht.
Gegenläufige Prozesse
Zunehmende Temperaturen führen infolge einer Erhöhung der Bodenaktivität (Tätigkeit der Bodenorganismen = Edaphon) zum Abbau von Humus (= beschleunigte biochemische Prozesse) und zu dessen Verlust. Die Folge wäre eine erhöhte Erosionsanfälligkeit und geminderte Ertragsfähigkeit insbesondere von landwirtschaftlich genutzten Böden. Eine Temperaturerhöhung führt aber auch zu einer verstärkten Biomasseproduktion.
Vor dem Hintergrund der zuletzt getroffenen Aussage ist ein gegenläufiger Prozess bei ansteigenden Temperaturen ebenfalls denkbar. Trockenheit im Sommer mindert den Abbau der vermehrt anfallenden Streu, deren Mineralisierung. Auch zu feuchte Böden in der kalten Jahreszeit wirken hemmend auf Zersetzungsprozesse. Zusammen mit einem verstärkten Pflanzenwachstum könnte dies zukünftig eine Humuszunahme im Boden bewirken. Dies trifft aber nicht auf staunässegefährdete Böden zu, die ob des vermehrten Bodenwasserdargebotes den Bodenorganismen noch weniger sauerstoffhaltige Atemluft gewähren, die letztlich für die Humusbildung verantwortlich sind. Es ist also schwer abzuschätzen, welche der entgegengesetzten Tendenzen beim Szenario „es wird wärmer“ tatsächlich Realität werden könnten. Hinzu kommt der Umstand, dass letztendlich nicht alle Vorgänge des Humushaushaltes erforscht sind und Unsicherheiten hinsichtlich der Klimamodelle bestehen. Fazit: Man weiß wenig oder nichts, was die Böden im Klimawandel betrifft.
Schneller als ein Klimawandel wirkt sich sicherlich die Nutzung durch den Menschen auf die Böden aus. Intensive Landwirtschaft, ungünstige Bodenbearbeitung, das Kalken von Waldböden, Grundwasserabsenkungen und andere anthropogene Maßnahmen verändern Böden bedeutend rascher etwa durch Humusschwund und Erosion als Klimaänderungen. Sollte das Szenario „es wird wärmer“ tatsächlich zutreffen, so kann eine umsichtige, wohl bedachte und schonende land- und forstwirtschaftliche Bewirtschaftung von Böden den klimabedingten Einfluss um wenige Grad Celsius sicherlich kompensieren.
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