Windindustrieanlagen bei Michelstadt-Vielbrunn im Odenwald. Die enormen Kahlflächen mit völlig zerstörten Böden können Abflussspitzen bei Starkregen nicht minimieren. Weitere Anlagen mit weitreichenden Kahlschlägen sind dort geplant. ©Harald Melzer

Wald mit einem intakten Waldboden ist ein bedeutender Hochwasserschutz. Zwar verhindert Wald bei sehr extremen Niederschlagsereignissen kein Hochwasser, die Hochwasserspitzen werden aber deutlich gestreckt und fallen daher niedriger aus. Gerade Waldareale auf den Höhen der Mittelgebirge sind diesbezüglich von großer Bedeutung. Doch diese Areale werden immer häufiger hektarweise für Windparks und deren Zufahrtswege gerodet, die wertvollen Böden unwiederbringlich zerstört.

Schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts äußerte der Schweizer Forstwissenschaftler und Hochschullehrer Prof. Dr. h. c. Arnold Engler (1869-1923): „Der Wald wirkt nach allen bis jetzt bekannten Untersuchungen ausserordentlich günstig auf die Milderung der Hochwassergefahr“ (Engler 1919). Englers Untersuchungen zeigten, dass die Abflussspitzen in einem bewaldeten Einzugsgebiet bei Gewitterniederschlägen um bis zu 50 Prozent geringer sind als Abflussspitzen in kaum bewaldeten Einzugsgebieten. Bereits im 19 Jahrhundert vermutete man, dass Wald Hochwasser verhindern oder zu­mindest abschwächen kann, was in der Schweiz zu umfangreichen Aufforstungen führte.

Prof. Dr. h. c. Arnold Engler (1869-1923).

Wie gut Wald als Hochwasserschutz sein kann, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Bedeutsam sind die Baumartenzusammensetzung und die Altersstruktur des Waldes. Daher ist ein Mischwald mit unterschiedlichen Altersstufen sowie einer Strauch- und Krautschicht optimal. Einige Baumarten sollten fähig sein, in Stauwasserhorizonten (Sw-Horizonte von Pseudogleyen) zeitweise zu wurzeln oder stauende Horizonte (Sd-Horizonte) zu durchstoßen (hohe Wurzelenergie). Das Wurzelwerk sorgt bei einem Mischwald durch abgestorbene und verrottete Wurzeln für ein größeres Porenvolumen des Waldbodens. In einem Mischwald ist auch das Edaphon aktiver als in einer Fichtenmonokultur und sorgt nicht nur für höhere Humusgehalte im Oberboden, sondern gerade die Bodenwühler erhöhen den Porenanteil und somit die Wasser- und die Infiltrationskapazität des Bodens. Zu einem gewissen Anteil tragen auch Interzeption und Transpiration zur Minderung von Abflussspitzen bei. Insbesondere sollten größere Bestandeslücken vermieden werden. Kahlflächen oder Wiesen haben einen viel höheren und schnelleren Oberflächenabfluss als Wald. Bremsend wirken sich hierbei auch eine ausgeprägte Strauch- und Krautschicht. Auch nach Extremniederschlägen sind in einem stufig aufgebauten Wald meist keine Erosionserscheinungen zu beobachten.

Die viele Hektar umfassenden Kahlflächen von Windparks und deren Zuwegungen tragen durch den verdichteten, baumlosen und teils homogenisierten Untergrund, der jeder Ähnlichkeit mit einem Waldboden entbehrt, nicht zur Minderung von Abflussspitzen bei, sondern bewirken das Gegenteil. Sollten sich die Prognosen der „Klimaforscher“ mit sich mehrenden Starkniederschlägen bewahrheiten, ist jeder Quadratmeter intakter Wald und Waldboden von größter Bedeutung für den Hochwasserschutz.

Literatur

Engler, A. (1919): Einfluss des Waldes auf den Stand der Gewässer.- Mitt. der Schweizerischen Anstalt für das forstliche Versuchswesen, 12, S. 1-626.
Feger, K.-H. (2003): Welchen Einfluss hat die Landnutzung auf die Entstehung von Hochwasser? AFZ/Der Wald 5, S. 4-5.
Köstler, J. N., Brückner, E. und Bibelriether, H. (1968): Die Wurzeln der Waldbäume.- 284 S., 135 Abb., 20 Tab.; Verlag Paul Parey, (Hamburg und Berlin).