Stein
Es gibt einige Möglichkeiten, dass ein Stein auf den Boden gelangt. ©Alexander Stahr

Diese oder sehr ähnliche Fragen geistern zahlreich durch die Medienlandschaft. Denn angeblich tauchen in jedem Frühjahr neue Steine auf manch einem Gartenboden oder dem Acker auf, obwohl man im letzten Jahr alle herumliegenden Steine eingesammelt hatte. Sie seien offenbar aus dem Boden herausgewachsen. Was ist an dieser Geschichte dran?

Nun, sieht man einmal von seismischen Ereignissen (Erdbeben, Sprengungen), Hangbewegungen (Garten, Acker in Hanglage), Sturzbächen und sonstigen katastrophalen Ereignissen ab, so sind zwei Prozesse in der Lage, Steine im Boden zu bewegen: Bioturbation (von griechisch “bíos” = Leben und lateinisch “turbare” = verwirren) und Kryoturbation (von griechisch “krýos” = Frost). Bei der Bioturbation können Steine im Boden durch Tiere (z. B. Maulwurf), Wurzelbewegungen (Sturm) und den wirtschaftenden Menschen bewegt werden (z. B. Gartenarbeit, Ackerbewirtschaftung). Die Kryoturbation sorgt durch den Wechsel von gefrieren und auftauen des Bodenwassers für die Bewegung von Steinen im Boden.

Frostzug und Frostschub
Frostzug und Frostschub bewirken das Ausfrieren von Steinen. ©Alexander Stahr

Zwei Prozesse können dafür verantwortlich sein, dass Gefriervorgänge im Boden einen Stein vertikal in Richtung Oberfläche bewegen: Frostzug und Frostschub (siehe Grafik). Gefriert das Wasser im Boden so dehnt er sich aus, da Eis gegenüber Wasser eine Volumenzunahme von rund 9 % aufweist. Friert ein Stein in der sich ausweitenden Gefrierfront fest, während seine Unterseite noch im nicht gefrorenen Boden steckt, so kann er durch die Volumenausdehnung um einen winzigen Betrag angehoben werden. Durch diese vertikale Bewegung kann sich auch die Lage des ihn zuvor umgebenden Feinmaterials (Bodenmatrix) verändern. Zum Beispiel durch Bodenpartikel, die durch die Bewegung des Steins gelockert und in den entstandenen Hohlraum gelangen. Taut das Bodeneis, kann der Stein dadurch nicht in seine ursprüngliche Lage zurücksinken. Er ist somit infolge des Frostzugs ein kleines Stück in Richtung Oberfläche gewandert. Wiederholt sich dieser Vorgang, so kann der Stein – je nach Tiefenlage – irgendwann an die Bodenoberfläche gelangen.

Befindet sich unter einem Stein ausreichend Feuchtigkeit (Wasser, Wasserdampf), kann sich bereits unter dem Stein eine Eislinse bilden, sobald die Front des Bodeneises den Stein erreicht. Denn der Stein ist ein weitaus besserer Wärmeleiter (in dem Fall Kälte) als der ihn umgebende porenreiche, isolierende Luft enthaltene Boden. Die Eislinse drückt den Stein empor. Da sich auch in diesem Fall der ihn ursprünglich umgebende Bodenbereich mit großer Wahrscheinlichkeit verändert, kann der Stein bei Tauwetter nicht zurück in seine Ausgangsposition. Er ist durch den Frostschub oder Frosthub ein Stück nach oben gewandert und kann irgendwann die Bodenoberfläche erreichen.

Derartige Vorgänge gehören typischerweise zum geomorphologischen Prozessgeschehen der polaren und subpolaren Tundrengebiete (Periglazial) nördlich der 10 Grad Celsius-Juli-Isotherme (= Arktis) oder der Hochgebirge mit häufigen Frostwechseln im Boden. Dass Steine in den Gemäßigten Breiten Mitteleuropas im Gartenboden oder Acker alljährlich emporfrieren, dürfte angesichts der Häufigkeit von tiefer reichender Bodengefrornis eher eine äußerst seltene Ausnahme sein – sofern das überhaupt passiert. Die Gründe für immer wieder neu vorzufindende Steine auf dem Gartenboden dürften eher Prozesse der Bioturbation sein. So können beispielsweise Steine bei der Bearbeitung des Gartenbodens durch den Hobby- oder Berufsgärtner an die Oberfläche befördert werden, die von anhaftendem Feinmaterial umgeben und somit nicht erkennbar sind. Beim nächsten Gießen oder Starkregen werden sie freigespült und sichtbar. Auf dem mitteleuropäischen Acker sorgen sicherlich Pflug und Erosion für die geheimnisvolle Mehrung von Steinen auf der Bodenoberfläche und nicht die „Geisterhand“ Frost.