Plastik im Müll
Plastik kann auf verschiedenen Wegen in den Boden gelangen. Foto: Gemeinfrei

Plastik ist praktisch, hygienisch, widerstandfähig und in allen Lebensbereichen einsetzbar. Kein Wunder also, dass im Jahr 2015 weltweit rund 320 Millionen Tonnen Kunststoffe produziert wurden – Tendenz steigend. Dass Plastik so stabil, ja inert ist – es reagiert chemisch praktisch mit nichts –, ist jedoch Vorteil und Problem zugleich: Plastikmüll wird – anders als Papier oder organische Abfälle – durch Umwelteinflüsse extrem langsam abgebaut.

UV-Strahlung und mechanischer Abrieb fragmentieren ihn im Laufe der Zeit lediglich immer weiter – zu Mikroplastik. Darunter versteht man Partikel, die – je nach Definition – unter einem oder bis zu fünf Millimeter Durchmesser groß sind.

Von den großen Plastikmüllstrudeln in den Ozeanen hat inzwischen jeder gehört. Matthias Rillig, Pflanzenökologe an der Freien Universität Berlin, befasst sich mit dem Thema seit längerer Zeit: “Über die globale Verteilung von Mikroplastik in den Meeren und Küstenregionen gibt es bereits gute Untersuchungen. Über die Situation in terrestrischen Ökosystemen weiß man dagegen so gut wie nichts.“

Dass Flüsse und Seen ebenfalls mit Mikroplastik belastet sind, sei schon bewiesen, sagt der Wissenschaftler. Allerdings sieht er ein weit größeres Ausmaß der Umweltverschmutzung. „Ich bin überzeugt davon, dass es inzwischen auch in den Böden ist“, sagt Rillig. „Denn alles was industriell hergestellt wird, reichert sich irgendwann auch in der Umwelt an.“ Im Jahr 2012 schrieb er erstmals einen Artikel zu diesem Thema.

Doch worin liegen die Gefahren von Mikroplastik-Partikeln? Kunststoffe sind ja per se nicht giftig. „Sie reagieren praktisch mit nichts. Aber an ihrer Oberfläche können sich toxische Stoffe gut anheften“, betont Rillig. Hamburger Forscher haben kürzlich nachgewiesen, dass die feinen Kunststoffpartikel, die sie unter anderem entlang den Mündungen von Weser, Elbe, Jade sowie in Boddengewässern gesammelt hatten, drei- bis viermal so hoch mit Schadstoffen belastet waren wie das Sediment, aus dem sie stammten.

Während sich die feinen Partikel aus dem Wasser leicht herausfiltern lassen, ist das bei Bodenproben sehr viel schwieriger. Denn Erde setzt sich quasi nur aus Partikeln zusammen. „Sie besteht aus Ton, Schluff und Sand – und dazu einer Unzahl von organischen Verbindungen“, sagt Rillig. Für exakte Analysen müssten ganz neue Verfahren entwickelt werden.

Mikroplastik entsteht nicht nur durch Zerfall von großen Kunststoffprodukten, etwa Plastiktüten. Es wird von der Industrie auch gezielt produziert: 2012 wurden EU-weit schätzungsweise 4.360 Tonnen hergestellt. Es wird Peelings, Duschgelen und Zahnpasta zugesetzt, aber auch anderen Kosmetikprodukten wie Puder, Wimperntusche und Lippenstiften.

Der größte Teil davon gelangt also zwangsläufig über kurz oder lang ins Abwasser. „Damit ist ein Eintragsweg in die Böden bereits sicher: Es wird mit dem Klärschlamm auf die Äcker ausgebracht und von Landmaschinen später tief in den Boden eingearbeitet“, sagt Rillig.

Einige Staaten haben bereits gehandelt: In den USA sind Herstellung und Verkauf mikroplastikhaltiger Kosmetika verboten. Großbritannien legte den Zeitpunkt des Verbots für Ende 2017 fest, die Niederlande und Kanada planen ähnlich. In Deutschland vertraut man hingegen auf den freiwilligen Verzicht der Hersteller.

Der wäre auch leicht, denn umweltverträgliche Ersatzstoffe für Mikroplastik gibt es genug: Kieselsäure, Heilerde, zerstoßene Aprikosenkerne, Salz und vieles mehr. Nach Berechnungen von Umweltforschern landet auf den Landflächen etwa genauso viel Mikroplastik, wie in die Meere eingetragen wird. In manchen Branchen wird Kunststoff sogar ganz bewusst in die Erde gemischt. „In Gewächshäusern werden kleine Styroporkügelchen als Lockerungsmittel für Böden eingesetzt – und die Pflanzen wachsen einfach besser“, wie Rillig selbst beobachtete. Zwar gebe es Bakterienarten, die Kunststoffe abbauen könnten, aber sie seien nicht effizient genug.

Plastik findet viele Wege in unsere Nahrungskette

In Rilligs Arbeitsgruppe werden zurzeit mehrere Bachelor-Arbeiten zum Thema Mikroplastik verfasst. Die Studentinnen und Studenten konnten feststellen, dass Regenwürmer und Mikroarthropoden – Gliederfüßer – die Partikel weiter in der Erde verteilen. Tatsächlich bekommt den Regenwürmern das Plastikfressen nicht besonders: Sie erreichen nicht mehr ihre normale Größe, manche sterben auch. Nennenswerte Effekte durch Mikroplastik im Boden auf Kleinstlebewesen oder Pflanzenwachstum wurden aber bisher nicht beobachtet.

Ist Mikroplastik im Acker das nächste große Umweltproblem oder eine eher akademische Frage? Rillig ist noch unschlüssig. „Ich glaube wir wissen noch nicht genug über dieses Thema“, meint er. Was ihn beunruhigt ist, dass Mikroplastik im Laufe der Zeit immer weiter fragmentiert werden könnte – zu Nanoplastik.

Nanopartikel können von Pflanzen über die Wurzeln aufgenommen werden und bis in die Blätter gelangen. „Damit würde Plastik nicht nur über Fisch und Meeresfrüchte in unsere Nahrungskette gelangen, sondern auch durch Agrarprodukte,“ sagt Rillig. Ganz gleich, ob „bio“ oder nicht. Als feiner Staub könnte Nanoplastik auch eingeatmet werden – wie Asbest oder Blütenpollen.

Matthias Rillig forscht weiter. Ihn treibt die Neugier. „Vielleicht stellt sich irgendwann heraus: Mikroplastik reichert sich ein paar Tausend Jahre an, irgendwann ist es weg und hat unterwegs keinen nennenswerten Effekt gehabt“, sagt er. Doch noch geben die Forschungsergebnisse keinen Grund zur Entwarnung. Auch wenn die Datenlage bisher sehr dünn ist: Plastik hat in der Natur grundsätzlich nichts verloren. Je weniger hineingelangt, umso besser. Und dafür kann jeder einzelne etwas tun – durch Verzicht auf die Nutzung.

Quelle: Catarina Pietschmann, FU Berlin