Windkraftanlage
Windindustrie im Wald. ©Alexander Stahr

Onshore-Windparks (Windindustrieanlagen an Land) werden aufgrund der Windhöffigkeit [= durchschnittliches Windaufkommen an einem Standort als Grundlage für die quantitative Bemessung der Umwandlung von kinetischer Energie (Wind) in elektrische Energie] vorzugsweise und zunehmend im Rahmen der Energiewende in deutschen Mittelgebirgen errichtet. Zugleich dienen die Höhenzüge der Mittelgebirge vielfach der Trinkwassergewinnung (Quellen, Stollen) aus dort infiltrierendem Niederschlagswasser, das zu Grundwasser wird [z. B. Kluftgrundwasser in Kluftgrundwasserleitern in Quarzit- oder Sandsteinhöhenzügen). Hierbei besteht bereits vielfach die Gefahr einer Kontaminierung des Bodens sowie des Grund- oder Trinkwassers durch wassergefährdende Stoffe während der Errichtung und des Betriebes von Windindustrieanlagen.

Eine weitere potentielle Gefährdung des Trinkwassers im Zusammenhang mit der Errichtung von Windparks stellt die mögliche Nitratbelastung durch Waldrodungen dar. Die Nitratbelastung des Grundwassers durch Kahlhiebe wurde schon vor längerer Zeit von den Forstverwaltungen erkannt. Beispiel Landesbetrieb Hessen-Forst (2015): „Nach wissenschaftlichen Erkenntnissen begünstigen Kahlschläge eine beschleunigte Auswaschung von Nährstoffen. Die Vermeidung der Auswaschung von Stickstoff in Form von Nitraten erhält die Bodenfruchtbarkeit und Grundwasserqualität. (Aus Nitraten können durch Reduktion gesundheitsschädliche Nitrite entstehen).“ U. a. aus diesem Grund sind z. B. nach dem Hessischen Waldgesetz (HWaldG) Kahlschläge von mehr als einem ha zu vermeiden.

Kahlschläge und Nitratbelastung

Bei Kahlschlägen oder großflächigem Windwurf im Wald führt die stärkere Belichtung des Waldbodens zu einer vermehrten Aktivität des Edaphons, mit der eine schnellere Mineralisierung der postmortalen organischen Substanz (Humus) einhergeht. Durch die Überschuss-Mineralisierung und bakterielle Oxidation von NH4+ zu NO3 (Nitrifikation) erhöht sich die Gefahr einer Nitratauswaschung ins Grund- und somit in das Trinkwasser. Nach Hegg et al. (2004) werden bei der Holzernte Nährstoffkreisläufe aufgebrochen, wobei schon unter kleinen Kahlschlagflächen erhöhte Stickstoffausträge zu erwarten sind. Starke Humusverluste nach Kahlschlag sind nach Rehfuess (1990) fast stets gekoppelt mit Stickstoffverlusten. Im Körper des Menschen wird Nitrat in Nitrit und Nitrosamine umgewandelt, deren weitere Zerfallsprodukte in der medizinischen Fachwelt als kanzerogene Substanzen eingestuft werden.

Bei der Errichtung von Windkraftanlagen (WKA) bzw. Windparks im Wald kommt es zu umfangreichen Rodungen (je nach geplanter Anlagenanzahl u. U. bis zu zehn ha oder mehr). Dabei werden nicht nur der gerodete Bereich, sondern auch die unmittelbar daran angrenzenden, intakten Waldareale über eine Strecke von mehreren hundert Metern pro Anlage stärker belichtet. Stärkere Belichtung bedeutet auch in diesen Waldabschnitten eine beschleunigte Mineralisierung und Nitratauswaschung. Inwieweit die stärkere Belichtung in den Bestand hineinreicht, ist abhängig von verschiedenen Faktoren (z. b. Zusammensetzung des Bestandes, Relief, Exposition).

Untersuchungen der Technischen Universität München (Fachgebiet für Waldernährung und Wasserhaushalt) zeigen, „dass Kahlflächen eine deutliche Saisonalität mit anfänglich hohen Nitratkonzentrationen im Sickerwasser aufweisen. Kurzfristig können Konzentrationen von über 150 mg pro l erreicht werden. Die hohen Konzentrationswerte bleiben allerdings auf die ersten beiden Jahre nach Kahlhieb beschränkt. In dieser Zeit können die Stickstoffverluste an gut wüchsiger Standorte ohne Vorausverjüngung oder Bodenvegetation über 200 kg ha-1 betragen.“ (http://www.waern.wzw.tum.de/index.php?id=39#c67).

Nitrat im Trinkwasser und Gesundheitsgefahren

„Wenn Säuglingen über Nahrung zu viel Nitrat zugeführt wird, besteht die Gefahr einer akuten Vergiftung. Deshalb sollten Säuglinge keine nitratbelasteten Gemüse wie Spinat oder Kopfsalat erhalten. Gemüse sollte nur aus Babynahrung verabreicht werden. Beim Säugling ist die Magensäureproduktion noch nicht voll ausreichend. Dadurch kann sich im Magen des Säuglings Nitrat in größeren Mengen zu dem giftigen Nitrit umwandeln. Nitrit ist ein Blutgift, welches den Sauerstofftransport im Blut stört. Die akute Vergiftung, die Blausucht, äußert sich in Atemnot und in einer Blauverfärbung der Haut und der Lippen. … Das Nitrat besitzt aber auch eine gefährliche Langzeitwirkung: Im Speichel des Erwachsenen werden regelmäßig kleine Mengen Nitrat in Nitrit umgewandelt. Dieses Nitrit kann mit Aminen, die im Magen vorhanden sind, weiter reagieren zu Nitrosaminen: Nitrosamine sind äußerst gefährliche Substanzen, welche schon in winzigen Mengen Krebs erzeugen können. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt deshalb, nicht mehr als 220 mg (= 0,22g) Nitrat täglich zu sich zu nehmen. Ein Liter Trinkwasser darf gesetzlich höchstens 50 mg Nitrat enthalten. Dies kann aber für Säuglinge bereits gefährlich sein. Deshalb sollten sie nur nitratarmes Mineralwasser erhalten.“ (http://www.seilnacht.com/Lexikon/Nitrate.htm).

Untersuchungsbedarf

Die mögliche Nitratbelastung des Grund- bzw. Trinkwassers im Zusammenhang mit der Errichtung von Windparks scheint bei den Genehmigungsbehörden bislang kein Thema zu sein, wie das Beispiel Hessen belegt. Im Rahmen einer „Kleinen Anfrage“ an die Hessische Landesregierung wurde u. a. gefragt: „Gibt es Untersuchungen zur Frage der verstärkten Nitratauswaschung im Bereich von Windparks im Wald – insbesondere in den Schutzzonen II und III von Wasserschutzgebieten? Antwort der Hessischen Umweltministerin Priska Hinz: “Das Hessische Landesamt für Umwelt und Geologie hat hierzu keine speziellen Untersuchungen durchgeführt.“ Eine weitere Frage lautete: „Falls nein, warum wurden diesbezüglich keine Untersuchungen durchgeführt?“ Antwort: „Die Rodungsflächen für im Wald liegende Windkraftanlagen sind in der Regel, im Verhältnis zum Gesamteinzugsgebiet einer oder mehrerer Wassergewinnungsanlagen, klein. Eine nachhaltige Gefährdung des Grundwassers durch Nitrat, ausgelöst durch den Waldumbruch und die dann evtl. vorübergehend stärkere Mineralisation auf den freiliegenden Flächen, wird daher als gering eingestuft. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass ein Stickstoffeintrag in das Grundwasser durch eine Rodung nicht dauerhaft stattfindet.“ Es wird zumindest in Hessen gemutmaßt und nicht untersucht. Daher besteht hinsichtlich der Trinkwassergefährdung im Zusammenhang mit der Errichtung von Windkraftanlagen im Wald vermutlich nicht nur in Hessen ein akuter Forschungsbedarf.

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Quellen:

Hegg, C., Jeisy, M., Waldner, P. (2004): Wald und Trinkwasser – Eine Literaturstudie.- Hrsg. Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft, WSL, Birmensdorf (http://www.wsl.ch/dienstleistungen/publikationen/pdf/6184.pdf)

Hessen-Forst Landesbetriebsleitung (2015): Anfrage Kahlschläge, schriftliche Mitteilung.

Kleine Anfrage des Abg. Rock (FDP) vom 25.03.2015 betreffend Trinkwasserschutz bei der Genehmigung von Windkraftanlagen und Antwort der Ministerin für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz. (http://starweb.hessen.de/cache/DRS/19/8/01798.pdf)

http://www.seilnacht.com/Lexikon/Nitrate.htm

Rehfuess, K. E. (1990): Waldböden. Entwicklung, Eigenschaften und Nutzung.- Hamburg, Berlin.

Weiterführende Links zum Thema:

http://www.lwf.bayern.de/mam/cms04/boden-klima/dateien/a66-waldverjuengung-und-wasserqualitaet.pdf

http://www.oberpfalznetz.de/zeitung/504708-126-kahlschlag-laesst-nitratwerte-steigen,1,0.html

http://www.waldwissen.net/waldwirtschaft/waldbau/umbau/lwf_bmbf_teil3/index_DE