Untersuchung von Moosen und Flechten
Gruppenleiterin Bettina Weber (Mitte), Doktorandin Alexandra Tamm (l.) und Postdoc Stefanie Maier (r.) untersuchen Moose und Flechten mithilfe einer CO2-Gaswechselanlage. ©Anne Reuter

Biologische Bodenkrusten bestehen aus einer Gemeinschaft von Cyanobakterien, Flechten, Algen und Moosen, die gemeinsam mit Pilzen, Bakterien und Archaeen in den oberen drei bis fünf Millimetern des Bodens wachsen. Sie können, abhängig von ihrer Entwicklungsstufe, grob in drei Typen unterteilt werden: Cyanobakterien-, Flechten- und Moos-dominierte Bodenkrusten. Diese Typen, die im Verlauf der Bodenkrustenentwicklung ineinander übergehen und sogenannte Sukzessionsstufen darstellen, haben sich Forscher des Max-Planck-Instituts für Chemie in Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern der Universität Graz im Rahmen einer Studie genauer angesehen. Ihr Ziel war es, herauszufinden, wie sich die Bakterien- und Pilzzusammensetzung bei der Bildung und entlang der Sukzession der Bodenkrusten ändert. Die Ergebnisse zeigten, dass sich die bakterielle Diversität mit Entwicklung der Bodenkrusten stark wandelt und die Bedeutung der Pilze von Stufe zu Stufe zunimmt. Damit einhergehend veränderten sich die Stoffwechselcharakteristika je nach Zusammensetzung der Bodenkrustengemeinschaft. Die Studie wurde Ende Januar 2018 im „ISME Journal“ (International Society for Microbial Ecology) veröffentlicht, das zur Nature Verlagsgruppe gehört.

Zu Beginn der Studie standen im Wesentlichen drei Fragen: Welche heterotrophen Organismen, die organische Verbindungen aus ihrer Umgebung aufnehmen und als Kohlenstoff- und Energiequelle nutzen, leben in biologischen Bodenkrusten? Beeinflussen die photoautotrophen Organismen der obersten Deckschicht, die Sonnenlicht als Energiequelle zur Bildung organischer Verbindungen nutzen, die tiefer wachsenden Bakterien und Pilze? Und: Können unterschiedliche Bakterien- und Pilzgemeinschaften die Stoffwechselprozesse in verschiedenen Krustentypen beeinflussen? „Wir haben die DNA der heterotrophen Schichten jeweils extrahiert und analysiert, wieviel Pilz- und Bakterienmaterial und welche Organismen darin vorkommen,“ erklärt Stefanie Maier, Postdoktorandin am MPI für Chemie, einen Teil des Vorgehens. Eindeutig zeigte sich, dass die Menge an Bakterien und Pilzen ansteigt, wobei die relative Bedeutung von Pilzen zunimmt je weiter sich die Bodenkrusten entwickeln. In Zahlen: In unbewachsenem Boden kommt ca. ein Pilz auf 700 Bakterien, wohingegen bei Moos-dominierten Krusten ca. ein Pilz auf 20 Bakterien kommt.

Bakterienvielfalt in Bodenkrusten vergleichbar mit Böden in Laubwäldern

Um herauszufinden, wie viele Arten von Bakterien in den Bodenkrusten leben, berechneten Stefanie Maier und ihre Kollegen den sogenannten Shannon-Index – eine mathematische Größe um die Biodiversität eines Lebensraums zu erfassen. „Der Shannon-Index ist vergleichbar mit den Werten für Böden von Laubwäldern in unserer Region“, so Alexandra Tamm, Doktorandin am MPI für Chemie. „Die Bodenkrusten können demnach eine vergleichbar hohe Bakterienvielfalt beherbergen wie der Waldboden in gemäßigten Gebieten.“ Daraufhin schauten sich die Wissenschaftlerinnen die Bakterien noch genauer an und fanden heraus: Die Bakterien beinhalten sowohl Generalisten, die in ihren Umweltansprüchen wenig spezialisiert sind und unterschiedliche Lebensräume besiedeln, als auch Spezialisten, die an die jeweiligen Lebensbedingungen in den verschiedenen Krustentypen beziehungsweise im Boden spezifisch angepasst sind.

Referenzmessungen an offenem, d.h. unverkrustetem Boden ergaben, dass sich die Bakterienzusammensetzung mit Bildung der Bodenkrusten grundlegend ändert. „Die in Bodenkrusten wachsenden Bakterien und Pilze scheinen somit vor allem durch die photosynthetisch aktiven, namensgebenden Krustenkomponenten und die von ihnen freigesetzten Stoffwechselprodukte bedingt zu sein,“ fasst Bettina Weber, Gruppenleiterin in der Abteilung Multiphasenchemie am MPI für Chemie, zusammen.

Die variierende Zusammensetzung aus Bakterien und Pilzen scheint auch für unterschiedliche Stoffwechselprozesse der jeweiligen Krustentypen, wie die Freisetzung gasförmiger Stickstoffverbindungen und Atmungsprozesse, verantwortlich zu sein. Welche Rolle den verschiedenen Organismen hierbei im Einzelnen zukommt, muss in weiteren Studien untersucht werden. „Es ist faszinierend, dass im Verborgenen solch eine enorme Vielfalt existiert, die die verschiedensten Prozesse beeinflusst, die wir erst jetzt beginnen zu verstehen“, ist die Biologin Bettina Weber begeistert.

Quelle: IDW-online