Steinringe
Steinringe auf Spitzbergen. ©Willi Müller
Polygone
Frostmusterboden mit Polygonen auf Spitzbergen. ©Willi Müller

Unter Frostmusterböden oder Strukturböden versteht man auffallende Formen im Bereich der Oberfläche vor allem arktischer Böden mit mehr oder weniger regelmäßigen Strukturen. Das können zum Beispiel Steinringe, Polygone aus Bodenskelett (Steine, Grus) oder Steinstreifen am Hang sein. Typisch für diese Oberflächenformen ist eine Sortierung des Bodenmaterials in grobe und feine Fraktionen. Frostmusterböden entstehen durch Vorgänge der Kryoturbation (von griechisch kryos = Frost und lateinisch turbare = umherwirbeln, gemeint ist die Durchmischung des Untergrundes durch Gefrieren und Wiederauftauen) und sind charakteristisch für Regionen mit Perma- oder Dauerfrostböden (WRB Cryosols). Dazu zählen insbesondere die polaren und subpolaren Tundrengebiete (Periglazial) nördlich der 10 Grad Celsius-Juli-Isotherme (= Arktis). Auch in Hochgebirgen wie den Alpen können Frostmusterböden infolge des Auftauens und Wiedergefrierens des Untergrundes angetroffen werden. So etwa beispielhaft in der alpinen Höhenstufe auf dem Plateau des Fil de Cassons (2694 m), einem Gipfel in den Glarner Alpen (Kanton Graubünden, Schweiz). Bodeneis bewirkt auch andere Phänomene wie Eiskeilnetze, Thufure, Pingos und Solifluktionsloben.

Entstehung von Steinringen und Polygonen

Steinstreifen
Steinstreifen auf Spitzbergen. ©Willi Müller

Die Entstehung von ringförmigen Oberflächenstrukturen oder Polygonen beruht auf drei Faktoren: Dem Wechsel von Auftauen und Gefrieren des Bodens, der Volumenzunahme (Ausdehnung) von Eis gegenüber Wasser um rund 9 % und dem Vorhandensein eines gemischtkörnigen Bodens (Ton, Schluff, Sand, Steine). Gefriert der Auftauboden (active layer) über dem Permafrost im Untergrund mit beginnender Frostperiode erneut, so dehnen sich feinerdereichere, feuchtere Bodenbereiche stärker aus als steinreiche und es kommt zum Frosthub und zur Bildung eines Thufurs (isländisch für Erdhügel), einer Erhebung, von der gröberes Material allseits abwärts verlagert wird. Dadurch bildet sich um die Aufwölbung ein Schuttrand. Beim Auftauen schrumpft das Feinmaterial auch von der Seite, so dass ein Spalt entsteht, in den das grobe Material hineinsackt. Am Übergang von einer Ebene zu einem Hang verzahnen sich kryoturbate und solifluidale Prozesse, wodurch polygone und ringförmige Strukturen am Hang zu Steinstreifen werden (siehe Grafik).

Eiskeile und Eiskeilnetze

Eiskeil
Rezenter Eiskeil (Spitzbergen). ©Willi Müller
Eiskeilnetz
Eiskeilnetz auf Spitzbergen. ©Willi Müller

Bodeneis tritt in arktischen Regionen auch in Form von Eiskeilen oder Frostkeilen auf. Dabei handelt es sich um vertikale Spalten, die im Dauerfrostboden entstehen und mit Eis gefüllt sind. Beim Gefrieren bei 0 °C dehnt sich Wasser zwar aus, doch bei weiterer Abkühlung zieht sich das Eis wie auch andere Festkörper zusammen. Die weitere Abkühlung des Bodens führt deshalb zu seiner Kontraktion, vor allem dann, wenn er viel Eis enthält und die Abkühlung recht schnell von statten geht. Dies wird als thermische Kontraktion bezeichnet. Es bilden sich Kontraktionsrisse oder Frostspalten, die den Boden, ähnlich den Trockenrissen toniger Böden, wie ein Netzwerk durchdringen, wodurch Eiskeilnetze oder Eiskeilpolygone entstehen. In den Spalten kann zum Beispiel Schmelzwasser gefrieren, auch Bodenmaterial von der Oberfläche und von den Wänden kann tiefer in den Spalt hineingelangen. Durch mehrfache Wiederholung dieses Geschehens (tauen, gefrieren) vergrößern sich die v-förmigen Keile. Eiskeile können bis in eine Tiefe zwischen einem und zehn Metern reichen (in Ausnahmefällen auch tiefer). Schließen sie sich nach Auftauen des oberflächennahen Untergrundes bei Klimaveränderungen nicht (z. B. eiszeitliche Frostkeile mit Beginn des Holozäns), kann Lockermaterial von darüber liegenden Schichten hineingeraten und sie vollständig verfüllen, so dass sie bis heute „konserviert“ sind. Da Eis durch mineralisches Lockermaterial ersetzt ist, spricht man auch von Eiskeilpseudomorphosen.

Thufure

Thufure
Thufure oder Mud pits (Spitzbergen). ©Willi Müller
Polygone
Entstehung von Frostmusterböden (Polygone). ©Alexander Stahr

Als Thufure oder Mud pits (englisch so viel wie Kern aus Lehm) werden auch kleine, runde bis ovale Hügel über der Bodenoberfläche bezeichnet, die etwa 30 bis 50 cm hoch werden und von Vegetation bedeckt sind. Sie sind eine Form der Kryoturbation. Derartige Thufure entstehen, wenn der Auftauboden (active layer) nicht in allen Bereichen gleichzeitig gefriert. Dabei zieht der bereits gefrorene Bodenbereich infolge des Dampfdruckgefälles Wasser an, wodurch es zu Umlagerungen und Verwürgungen des Feinbodenmaterials bei gleichzeitiger Frosthebung (Aufwölbung) kommt. Typische Thufure weisen keinen Eiskern auf, jedoch aufgrund der Bodengefrornis und der damit zusammenhängenden verminderten Zersetzung organischen Materials, einen erhöhten Humusgehalt gegenüber ihrer Umgebung auf. Das Material eines Thufurs ist unsortiert.

Pingos

Pingo
Pingo auf Spitzbergen. ©Willi Müller

Ein Pingo [aus der Sprache der Inuit oder Eskimos aus dem Mackenzie-Delta (Kanada) für Hügel, sinnbildlich für eine schwangere Frau] oder Hydrolakkolith ist eine typische Erscheinung in Permafrostgebieten (Kanada, Sibirien, Grönland, Spitzbergen). Dabei handelt es sich um bis zu 60 Meter hohe Aufwölbungen der Geländeoberfläche über einem Eiskern, die Durchmesser von bis zu mehreren 100 Metern aufweisen können. Über die Entstehung von Pingos wurde viel diskutiert und publiziert. Ein wesentlicher Prozess für die Entstehung von Pingos scheint das Vorhandensein von Injektions- oder Intrusionseis zu sein. Grundwasser, das von einer Permafrostschicht überlagert ist, kann bei unruhigem Relief unter großer Spannung stehen (artesisches Wasser) und den Permafrost durchbrechen. Das Wasser gefriert als Injektionseis und bildet einen Eiskörper, der solange wächst (ca. 20 cm pro Jahr) wie die artesische Wasserzufuhr anhält. Man spricht auch von Pingos eines offenen Wasserversorgungssystems.

Solifluktionsloben

Pingo
Untersuchungen an einem Pingo auf Spitzbergen. ©Willi Müller

Solifluktion bedeutet übersetzt Bodenfließen. Wörtlich genommen, setzt dies tatsächliche, mehr oder weniger plastische „Fließbewegungen“ voraus. Bei ausreichendem Wasserangebot und Feinmaterialanteil kann sich das Lockermaterial eines Hanges unter Herabsetzung der Scherfestigkeit (aus innerer Reibung und Kohäsion) in Fließloben als witterungs- und temperaturabhängiges Durchtränkungs- oder Sättigungsfließen sehr langsam (Zentimeter bis Dezimeter) den Hang hinabbewegen. Dies kann man heute (rezent) z. B. vielerorts in den Zentralalpen in Höhenlagen von über 2.000 Metern oder in arktischen Regionen über Dauerfrost beobachten. Und zwar meist unter einer mehr oder weniger ausgebildeten Vegetationsdecke, etwa aus Polsterpflanzen oder alpinen Krummseggen-Rasen.

Solifluktion
Rezente Solifluktionsloben am Schweizer Furkapass (2429 m). ©Alexander Stahr

Im Bereich des Permafrostes ist auch eine andere Art der Materialverlagerung an Hängen wirksam. Wasser dehnt sich beim Gefrieren aus. Dadurch wird am Hang Gesteinsmaterial unterschiedlichster Größe senkrecht zur Hangoberfläche angehoben. Taut das Bodeneis, bewegen sich die Gesteinsfraktionen lotrecht nach unten. Auf diese Weise „wandert“ das Lockermaterial eines Hanges allmählich talwärts, was Regelationsfließen genannt wird. In der Wissenschaft wird diese Bewegungsform auch als Bodenkriechen oder Frostkriechen bezeichnet. Diese Form der Materialverlagerung ist vergleichsweise unabhängig von der Menge an Feinmaterial. Auch feinmaterialarme Verwitterungsprodukte mit hoher innerer Reibung können auf diese Art hangabwärts verlagert werden. Solifluktion kann schon bei Hangneigungen ab zwei Grad einsetzen.