Entscheidende Gene für Symbiose zwischen Mykorrhiza-Pilzen und Bäumen entwickelten sich mehrfach
Ektomykorrhiza-Pilze im Boden, deren Markenzeichen die symbiotische Lebensweise mit Bäumen ist, sind rund 100 Millionen Jahre jünger als ihre Vorfahren, die Braunfäule- und Weißfäulepilze. Zudem sind die entscheidenden Genomanpassungen, die diesen Pilzen ihren speziellen Lebensstil ermöglichen, im Laufe der Evolution offenbar mehrfach entstanden. Das schließt ein internationales Forscherteam aus der ersten umfassenden vergleichenden phylogenetischen Analyse von Mykorrhizapilzen, die jetzt im renommierten Fachjournal Nature Genetics veröffentlicht wurde.
Diese Sequenzen bieten grundlegende Informationen, wie sich die Symbiosen zwischen Pilzen und Bäumen entwickelt haben. Dadurch werden Prognosen erleichtert, wie diese Mykorrhiza-Gemeinschaften auf Umweltauswirkungen wie Veränderungen bei der Waldbewirtschaftung oder dem Klimawandel reagieren werden. An der Entdeckung des internationalen Wissenschaftlerteams waren auch Forschende des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) und des Deutschen Zentrums für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) Halle-Jena-Leipzig beteiligt.
Lebensgemeinschaft mit weitreichenden Folgen
Ektomykorrhizapilze leben an den Wurzeln von Bäumen, wo sie Mineralstoffe aus dem Boden gegen Zucker eintauschen, den Pflanzen per Photosynthese produzieren. Fast alle Landpflanzen haben ähnliche Lebensgemeinschaften mit nützlichen Untermietern im Wurzelraum entwickelt. Deshalb spielen mykorrhizale Bodenpilze eine Schlüsselrolle in terrestrischen Ökosystemen, da sie die Umsatzkreisläufe von Nährstoffen und Kohlenstoff im Untergrund regulieren. Außerdem verbinden sie Pflanzen untereinander über ein gemeinsames unterirdisches Myzelnetzwerk, das den Austausch von Ressourcen innerhalb der Vegetation ermöglicht. Neue Studien weisen darauf hin, dass Mykorrhizapilze eine wesentliche Rolle bei der unterirdischen Kohlenstoffspeicherung spielen.. Deshalb ist die Symbiose nicht nur für Biologen und Ökologen von Interesse, sondern auch für Klimaforscher. Obendrein gehören zu den Ektomkorrhizapilzen auch viele populäre Waldpilzsorten wie der legendäre Fliegenpilz (Amanita muscaria), der Gemeine Steinpilz (Boletus edulis) oder der schwarze Perigord-Trüffel (Tuber melanosporum), einer der teuersten Speisepilze der Welt.
Die Mykorrhiza-Genom-Initiative
Um die Grundlagen der symbiotischen Beziehung zwischen Mykorrhizapilzen und Pflanzen zu verstehen, hat ein internationales Forscherteam mit weit über 50 Wissenschaftlern die erste umfassende, vergleichende phylogenomische Analyse von Mykorrhizapilzen erstellt, die von der „Mykorrhiza Genom Initiative (MGI)“ unter Leitung des US-Amerikanischen Joint Genome Institutes (JGI) und des Französischen Zentrums für Agrarforschung INRA initiiert wurde. Dazu gehören 49 Pilzgenome, von denen 18 für diese Studie sequenziert wurden. Die 18 neuen Sequenzen enthalten 13 Genome von Ektomykorrhizapilzen, die die Wirtswurzeln von Bäumen durchdringen. Sie schließen außerdem weitere fünf Arten ein, die an den Wurzeln von Orchideen und Heidepflanzen wie Heidelbeere, Heidekraut und Erika weitere Mykorrhizatypen etablieren. In Nature Genetics beschreiben die Forscher nun, wie die vergleichende Analyse dieser Genome es ihnen ermöglichte, die Evolution der Ektomykorrhiza-Pilze zu verfolgen.
Um die genetische Veränderungen zu verstehen, die der Lebensweise der Ektomykorrhiza-Pilze zugrunde liegen, konzentrierten sich die Forscher auf die Enzyme (PCWDEs) von 16 Genfamilien, die mit dem Abbau der Pflanzenzellwände verbunden sind. Hinweise dazu gab ein Vergleich zwischen dem ersten sequenzierten Ektomykorrhizapilz (Laccaria bicolor) und dem ersten sequenzierten arbuskulären Mykorrhizapilz (Rhizophagus irregularis). Beide Sequenzierungen wurden am Joint Genome Institute (JGI) in den USA durchgeführt.
Rückblicke bis ins Erdaltertum vor dem Aufkommen der Saurier
Durch molekulare Zeitanalysen, die genomweite molekulare Daten mit fossilen Kalibrierungen kombinieren, konnte das Team die Evolution der zellwandzerstörenden Enzyme rückwärts verfolgen und anhand der Menge der Divergenz abschätzen, wann die saprotrophen und mutualistischen Linien den letzten gemeinsamen Vorfahren hatten.
Die Analysen der Pilzgenome und -fossilien legen nun nahe, dass im Vergleich zu holzabbauenden Braunfäulepilzen und Weißfäulepilzen, die vor über 300 Millionen Jahren entstanden sind, die Ektomykorrhizapilze sich erst vor relativ kurzer Zeit aus mehreren Arten herausgebildet haben und sich dann seit weniger als 200 Millionen Jahren über verschiedene Linien verbreitet haben. „Ektomykorrhiza-Symbiosen sind sehr komplex, aber die Analysen der 49 Genome zeigen, dass sie sich unabhängig voneinander in vielen Pilzlinien entwickelt haben“, erklärt Dr. Francis Martin, Forschungsdirektor am Französischen Agrarforschungsinstitut INRA, einer der leitenden Autoren der Studie. Diese Daten sind wichtig, um zu verstehen, wie sich die Symbiose von Pflanzen und Pilzen entwickelt hat, von der beide bis heute profitieren.
Parallele Evolutionsstränge bei den Pilzen
Prof. Dr. David Hibbett von der Clark University verglich zusammen mit dem JGI die aktuellen Arbeiten mit einer früheren Studie, die in SCIENCE die Entwicklung der Weißfäulepilze beschrieb. Sie sind in der Lage, Zellulose, Hemizellulose und Lignin in Pflanzen abzubauen. Vor dem Aufkommen der Weißfäulepilze vor Hunderten Millionen Jahren waren die Pilze nicht in der Lage, Lignin abzubauen und die nicht abgebaute pflanzliche Masse wurde zur Grundlage der großen fossilen Kohlevorkommen. „Zusammen erzählen diese Studien eine Geschichte darüber, wie Pilze mit der Weißfäule einen komplexen Mechanismus zum Abbau von Pflanzenzellwänden entwickelt haben und diesen dann teilweise beiseite werfen, um der Evolution von Ektomykorrhiza-Symbiosen genauso zu folgen wie dem alternativen Zerfallsmechanismus der Braunfäule“, betont Hibbett.
Genetischer Innovationsmotor
„Der andere große Teil der Geschichte ist, dass es in den Ektomykorrhiza-Linien einen riesigen Umsatz in Genen gibt, die in der Symbiose hochreguliert werden. Viele von ihnen haben nichts Vergleichbares selbst in nahe verwandten Arten, was darauf hindeutet, dass die Entwicklung der Symbiose immer mit massiven genetischen Innovationen verbunden ist. Viele dieser Gene werden wahrscheinlich verwendet, um das Immunsystem der Pflanzen beim Besiedeln des Wurzelgewebes durch den Pilz zu kontrollieren“, unterstreicht Francis M. Martin. Die Forscher vermuten daher, dass diese für die Lebensgemeinschaft zwischen Pilz und Pflanze erforderlichen Gene jedes Mal neu entdeckt werden mussten, da die Ektomykorrhiza-Symbiose während der Evolutionsgeschichte in getrennten Pilzverwandtschaftsgruppen unabhängig voneinander entstand.
Wichtige Impulse aus Halle/S. und Leipzig
Die mitteldeutsche Beteiligung an diesem internationalen Projekt hat mehrere Facetten. Einerseits führt ein Team aus dem UFZ mit „TrophinOak“ seit mehreren Jahren ein DFG-Forschungsprojekt zu Ektomykorrhiza durch, bei dem diese Symbiosen anhand von Eichen-Klonen zusammen mit dem Safrangelben Hautrindenpilz (Piloderma croceum) untersucht werden. „Piloderma fördert besonders stark das Pflanzenwachstum und kann Ressourcen sowohl aus dem mineralischen Unterboden als auch aus organischer Bodensubstanz mobilisieren. Dieses breite ökologische Spektrum und das Knowhow unseres Team haben den Piloderma-Kulturstamm der TrophinOak-Gruppe als einen der 18 Pilze qualifiziert, von welchem das Genom im Konsortium komplett sequenziert wurde“, erklärt Prof. Francois Buscot vom UFZ. Die UFZ-Forscher konnten sich auf die Erfahrung aus dem TrophinOak-Projekt stützen, um die RNA der Mykorrhiza zwischen Piloderma und der Eiche zu extrahieren. Dies ermöglichte eine Genexpressionsstudie, die an einigen der sequenzierten Pilze durchgeführt wurde, um die Erforschung der 18 neuen Pilzgenome voranzutreiben. Dabei half, dass die TrophinOak-Gruppe eine solche Genexpressionsstudie bereits an mykorrhizalen Eichenwurzeln durchgeführt hatte, so dass die Sortierung der Pflanzen- und der Pilz-Transkripte stark erleichtert wurde. Das Biodiversitätsforschungszentrum iDiv hat Sequenzierungen und Auswertungen für das Projekt mitfinanziert. Dessen internationales Synthesezentrum sDiv hat zudem das gesamte internationale MGI-Konsortium im Juni 2011 zu einem Workshop nach Leipzig eingeladen, wo an dem Artikel für Nature Genetics gemeinsam gearbeitet wurde. Mit Hilfe dieser genetischen Untersuchungen hoffen die Forscher, künftig tiefer in die Geheimnisse der Vielfalt der Mykorrhizapilze vordringen zu können, um die Wechselwirkungen mit den Wirtspflanzen und deren Rolle in Waldökosystemen besser zu verstehen.
Quelle: IDW
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