Luftbildaufnahme des Jena Experiments
Luftbildaufnahme des Jena Experiments in der Saaleaue. ©Alexandra Weigelt/Universität Leipzig

Tübinger Geoökologen testen Effekte der Artenvielfalt in Grünlandmischungen auf den Phosphorkreislauf im Boden. Pflanzen und im Boden lebende Mikroorganismen benötigen den Nährstoff Phosphor, um zu wachsen und zu gedeihen. In vielen Böden ist das Element vorhanden, jedoch häufig in organischen Verbindungen gebunden.

Um an den lebenswichtigen Nährstoff zu kommen, scheiden Organismen bestimmte Enzyme, sogenannte Phosphatasen, aus. Mit ihnen lässt sich Phosphat, das Organismen aufnehmen und verstoffwechseln können, aus organischen Verbindungen freisetzen. Bei diesem Prozess reagieren die Organismen offenbar auf die Bedingungen in ihrer Umgebung: Wenn in einer Grünlandmischung viele Pflanzenarten vorhanden sind, scheiden sie pro verfügbarem Substrat mehr Enzyme aus als in Mischungen mit weniger Pflanzenarten. Zu diesem Ergebnis kommen die Geoökologinnen Nina Hacker und Professorin Yvonne Oelmann vom Fachbereich Geowissenschaften der Universität Tübingen in Zusammenarbeit mit Kollegen aus den Niederlanden und der Schweiz. Den auf den ersten Blick als „Verschwendung“ erscheinenden Mehraufwand führen die Wissenschaftler in der Fachzeitschrift Ecology Letters auf die erhöhte Konkurrenz zurück.

Es ist schon länger bekannt, dass die Artenvielfalt eine Vielzahl von Prozessen in Weiden- und Wiesenlandschaften beeinflusst. So sind artenreiche Grünlandmischungen produktiver und auch verantwortlich dafür, dass mehr Humus im Boden gebildet wird. Im vergrößerten Wurzelraum siedeln sich wiederum mehr Mikroorganismen an, daraus resultiert insgesamt ein höherer Nährstoffbedarf in Mischungen mit großer Artenvielfalt.

Im experimentellen Grünlandökosystem konnten die Wissenschaftler zeigen, dass die Aktivität der Phosphatasen im Boden tatsächlich mit wachsender Artenvielfalt ansteigt. Allerdings war dieser Anstieg stärker ausgeprägt als der durch die Produktivität erhöhte Phosphorbedarf und der erhöhte Anteil an organisch gebundenem Phosphor im Boden erwarten ließen. „Der Kampf zwischen Organismen um das knappe Phosphat kann dazu führen, dass dem Organismus, der in die Phosphatfreisetzung durch die Produktion von Enzymen investiert hat, das Phosphat quasi ‚vor der Nase‘ von einem anderen Organismus weggeschnappt wird“, erläutert Oelmann. Um ihren Bedarf dennoch zu decken, müssen Organismen in einer Umgebung mit hoher Konkurrenz – wie bei artenreichen Pflanzenmischungen – dementsprechend mehr Enzyme ausscheiden.

Die Studie wurde im Rahmen des Projektes „Das Jena Experiment“ durchgeführt, bei dem eine internationale Gruppe von Wissenschaftlern verschiedener Fachrichtungen die Auswirkungen der Artenvielfalt in einem Grünlandökosystem untersucht. Das von der DFG geförderte Jena Experiment wurde im Jahr 2002 auf rund zehn Hektar Fläche mit Versuchsquadraten funktioneller Pflanzengruppen, zum Beispiel Gräser, kleine und große Kräuter sowie Hülsenfrüchtler, mit unterschiedlicher Artenvielfalt und Zusammensetzung angelegt. Die lange Laufzeit des Experiments ermöglicht einzigartige Einblicke in die komplexen Wechselwirkungen zwischen Pflanzen, Boden und Tieren.

Weitere Informationen unter www.the-jena-experiment.de