Pflanzenschutz: Kommunikation statt Giftkeule
Vermehrte Trockenheit und Hitze setzen den Pflanzen zu: So breiten sich am Oberrhein durch den Klimawandel neue Pflanzenkrankheiten aus, zum Beispiel das Esca-Syndrom, das Rebstöcke absterben lässt. An neuen Ansätzen für Pflanzenschutz ohne Herbizide und Fungizide arbeiten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) gemeinsam mit Partnern im Projekt DialogProTec. Mit Kolleginnen und Kollegen aus Deutschland, Frankreich und der Schweiz forschen sie im Dialog mit Weinbauern, Landwirten und der Industrie. Das Projekt wird im grenzüberschreitenden EU-Programm Interreg Oberrhein gefördert.
Für Pflanzen im Klimastress kann ein harmloser Mitbewohner wie ein Pilz zum gefährlichen Killer werden. Der Klimawandel bringt neue Krankheitsbilder hervor, welche die Landwirtschaft vor vielfältige Herausforderungen stellen. Zugleich fordern Verbraucherinnen, Verbraucher und Gesellschaft beim Pflanzenschutz nachhaltige, ökologisch verträgliche Lösungen. „Wir suchen deshalb nach neuen Wegen, um die Pflanzen zu schützen“, sagt Dr. Alexandra Wolf vom Botanischen Institut des KIT. Die Biologin koordiniert das Forschungsprojekt „Chemischer Dialog als Protektive Technologie im nachhaltigen Pflanzenschutz – DialogProTec“. In dem Netzwerk arbeiten Fachleute aus den Disziplinen Pflanzenwissenschaften, Pilzgenetik, Chiptechnologie, Organische Chemie und Agrarwissenschaften zusammen. Ihr gemeinsames Ziel: Wirkstoffe für den Pflanzenschutz zu finden, die nachhaltig sind, weil sie in der biologischen Evolution wurzeln.
Chemische Kommunikation für nachhaltigen Pflanzenschutz
Die Natur hat zahlreiche chemische Signale hervorgebracht, welche die Wechselwirkungen zwischen Organismen steuern. Die chemische Kommunikation zwischen Krankheitserreger und Pflanze wollen die Forscherinnen und Forscher nutzen, um die Pflanzen zu schützen. „Es geht darum, einzelne Signalstoffe zu finden, auf die die Pflanze mit einer Immunantwort reagiert, um sich besser gegen Pathogene verteidigen zu können“, erklärt Christian Metzger, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Botanischen Institut, das Professor Peter Nick leitet. Die chemische Kommunikation an ganzen Pflanzen zu untersuchen, wäre jedoch sehr aufwändig. Um in kurzer Zeit eine Vielzahl von Signalen und Kombinationen zu testen, lässt der Doktorand deshalb Zellen von Pflanzen und Pilzen auf einem Laborchip chemisch miteinander kommunizieren, ohne dass sie sich berühren. Für das Ökosystem auf dem wenige Quadratzentimeter großen Chip haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler am Institut für Mikrostrukturtechnik des KIT zusammen mit den Botanikern einen Mikrofluidik-Chip entwickelt. Um die chemischen Signale zu finden, die eine Immunreaktion auslösen, wird ein am Botanischen Institut entdeckter Genschalter aus einer Europäischen Wildrebe mit besonders starkem Immunsystem genutzt. Die ausgelöste Immunantwort wollen die Forscherinnen und Forscher anhand des Lichts von grün fluoreszierendem Protein messen, das sie zuvor ins Erbgut der Testzellen einbringen. „Das Zusammenspiel von Natur und Technik ist faszinierend und ermöglicht einen wertvollen Beitrag zum Schutz der Natur“, sagt Metzger.
„Für unsere Forschung ist der enge Austausch mit den Weinbauerinnen und Weinbauern am Oberrhein wichtig, zum Beispiel, um zu erfahren, welchen Bedarf an Pflanzenschutz sie sehen, und welche Anwendung für sie praktikabel ist“, betont Projektkoordinatorin Wolf. Wenn die Forschung geeignete Signalstoffe ermittelt hat, sollen sie in größeren Mengen erzeugt und ihre Wirkung im Landbau realitätsnah geprüft werden. Die Erkenntnisse werden der Pflanzenschutzmittel produzierenden Industrie zur Verfügung gestellt.
Über DialogProTec
Das noch bis Juni 2022 laufende Projekt wird mit 500 000 Euro durch den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EU-Regionalfonds) im Programm Interreg Oberrhein gefördert und erhält insgesamt 250 000 Euro von den Bundesländern Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz sowie der französischen Region Grand-Est. Wissenschaftliche Partner des Forschungskonsortiums sind die Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, die Universität Straßburg, das im Schweizer Kanton Aargau ansässige Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL) sowie das Institut für Biotechnologie und Wirkstoff-Forschung (IBWF) in Kaiserslautern, das für die Signalsuche 20.000 Pilzstämme in das Projekt einbringt.
Quelle: IDW-online
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