Scherotheca gigas
Scherotheca gigas, eine der großen europäischen Regenwurmarten. ©Iñigo Virto

An einem Ort der gemäßigten Breiten gibt es meist mehr Regenwürmer und mehr Regenwurmarten als an einem Ort gleicher Größe in den Tropen. Der Klimawandel könnte das Vorkommen von Regenwürmern und ihre Funktionen für Ökosysteme weltweit verändern. Dies sind die zentralen Ergebnisse einer Studie, die in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift Science veröffentlicht wurde. Für die Studie hat ein Wissenschaftlerteam unter Führung des Deutschen Zentrums für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) und der Universität Leipzig zusammen mit 140 internationalen Wissenschaftlern unter Beteiligung des Fachgebietes Ökologie der BTU Cottbus-Senftenberg (Prof. Dr. Klaus Birkhofer) den weltweit größten Regenwurmdatensatz zusammengestellt – mit Informationen von 6928 Standorten aus 57 Ländern.

Regenwürmer gibt es in vielen Ökosystemen. Wo der Boden nicht dauerhaft gefroren, zu sauer, zu nass oder vollkommen trocken ist, fressen Regenwürmer organisches Material, graben Löcher und mischen Humus und Erde. Auf diese Weise fördern sie eine Vielfalt von Ökosystemleistungen wie das Verfügbarmachen von Nährstoffen, das Speichern klimawirksamen Kohlenstoffs oder die Ausbreitung von Samen. Regenwürmer gelten deshalb als „Ökosystem-Ingenieure“. Ihre Bedeutung spiegelt sich auch in ihrer großen Gesamt-Biomasse wider: Diese ist oft größer als die Gesamt-Biomasse aller am selben Ort lebenden Säugetiere.

Trotz der Bedeutung von Regenwürmern für Ökosysteme und Ökosystemleistungen für den Menschen, war bislang wenig bekannt über die weltweite Verbreitung von Regenwürmern. „Wissenschaftler haben bereits vor Jahrzehnten herausgefunden, dass an einem beliebigen Ort in den Tropen meist mehr Arten leben als an einem gleichgroßen Ort der gemäßigten Breiten“, sagt Erstautorin Dr. Helen Phillips, die am Deutschen Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) und der Universität Leipzig arbeitet. „Doch für Regenwürmer konnten wir solche Untersuchungen bisher nicht durchführen, da es keine entsprechenden, globalen Datensätze gab.“

Phillips wollte eine Weltkarte erstellen, die so viele Daten wie möglich zur Vielfalt von Regenwürmern enthält: zur Anzahl der Arten, zur Anzahl der Individuen (Dichte) und zur Biomasse. Zusammen mit Kollegen einer Arbeitsgruppe des Synthesezentrums sDiv kontaktierte Phillips Regenwurmforscher aus der ganzen Welt und bat sie, ihre Daten für einen neuen, globalen Datensatz zur Verfügung zu stellen, der für jeden zugänglich sein sollte. Die Ergebnisse zeigen, dass Biodiversität unterirdisch anders verteilt ist als oberirdisch: Bei Pflanzen, Insekten und Vögeln zum Beispiel nimmt die Anzahl der Arten in einem bestimmten Gebiet zu, je mehr man sich dem Äquator nähert. Entsprechend finden sich oberirdisch die meisten Arten in den Tropen. Doch bei Regenwürmern ist es genau umgekehrt: Die meisten Regenwurmarten (kleinräumig betrachtet) fanden die Forscher an Orten in Europa, dem Nordosten der USA und Neuseeland. Ähnlich verhielt es sich mit der Dichte und der Biomasse. Auch hier waren die Werte in den gemäßigten Breiten am höchsten.

Die Wissenschaftler untersuchten auch welche Umweltfaktoren Regenwürmer beeinflussen. Faktoren, die mit Niederschlag und Temperatur zusammenhängen, hatten den größten Einfluss. „Der Klimawandel könnte zu starken Veränderungen bei den Regenwurmgemeinschaften und den von ihnen beeinflussten Ökosystemleistungen führen“, sagt Nico Eisenhauer. Klaus Birkhofer weist auf die Bedeutung der Ergebnisse für die Lausitz hin: „Die sandigen, oft nährstoffarmen Böden, die zunehmenden Trockenperioden im Sommer und die Aufmerksamkeit der Bevölkerung für Umweltthemen stellen die landwirtschaftliche Produktion in Süd-Brandenburg vor besondere Herausforderungen. Die Hilfe von Ökosystem-Ingenieure ist in diesem Zusammenhang äußerst wichtig und sollte aktiv gefördert werden.“

Quelle: IDW-online