Gelegentlich trifft man auf Hängen Bäume an, deren Stamm merkwürdig verbogen ist, und es scheint, als wenn sie unermüdlich versuchen, sich wieder aufzurichten. Der Volksmund spricht man bei diesem Phänomen vom „betrunkenen Wald“. Und es ist tatsächlich der Boden, der sich den Bäumen entzieht. Bei starker Durchfeuchtung weichen feinkörnige Böden (tonig oder lehmig) auf und können am Hang unter dem Einfluss der Schwerkraft talwärts kriechen. Vor allem dann, wenn sie z. B.  im Hochgebirge nur flachgründig sind. Ihre Wasseraufnahmefähigkeit ist rasch erschöpft und sie werden unter dem Einfluss der Schwerkraft plastisch verformt. Bewegungsfördernd wirken sich im Hochgebirge auch glatte Felsunterlagen in Form von Gletscherschliffen aus. Der kriechende Waldboden wird zu Wellen und Falten gestaucht. Häufig bekommt er Risse. Es treten Gräser und Kräuter auf, die feuchten bis nassen Boden bevorzugen. Zumeist laufen die Bodenbewegungen sehr langsam ab. Da sie vom Wasserangebot abhängen, finden sie nur episodisch statt. Die Bäume haben daher genügend Gelegenheit, stets in Richtung des Lichtes zu wachsen. Im Laufe der Jahre entsteht daraus ein auffälliger Säbelwuchs. Kriechbewegungen können bei sehr starker Wasserzufuhr in Rutschungen oder schnelle Fließbewegungen übergehen. Wenn viele Bäume in einem Waldabschnitt deutliche Schiefstellung und dazu keinen Säbelwuchs zeigen, so spricht dies für sehr junge oder neu aufgetretene Bewegungen des Untergrundes. Weisen die Kronen von schief gestellten Bäumen mit deutlich gebogenem Stamm nicht zum Licht, sind offensichtlich Kriechbewegungen in schnellere Bewegungen übergegangen. Aus Beobachtungen der Vegetation und der Geländeoberfläche ergibt sich somit die Möglichkeit, erste Aussagen über die Stabilität und den Wasserhaushalt eines Hanges zu treffen. Doch führt auch eine mächtige und lang anhaltende Schneedecke im Gebirge zum Umbiegen junger Bäume und zum Säbelwuchs. Welcher Prozess letztendlich wirksam ist, kann nur durch detaillierte Geländeuntersuchungen geklärt werden.